Kein Tunnelblick mehr? Und dafür bin ich den ganzen beschwerlichen Blick auf eine unterirdische Aussichtsplattform auf einem Hügel gekommen? Die Konstrukteure haben sie nicht mehr alle. Stinksauer. Auf einem Hügel, sage ich zu Redermann und ergänze, auch wenn die eigentliche Aussichtsplattform unterirdisch ist, gibt es keinen Tunnelblick mehr. Dafür, lieber Redermann, sage ich zu Redermann, hättest Du mich nicht hier hochschleppen müssen. Aber ihr Konstrukteure, zu denen ich mich immer noch nicht zählen kann und will, ihr habt doch einfach nur einen an der Klatsche. Ihr lenkt die Welt aus unterirdischen Stationen und beantwortet doch nur Eingabe befremdlicher Mietmieter. Ihr macht es Euch in Eure Stationen bequem und haltet Euch für Belgier, die einmal am großen Rad drehen und bekommt nicht einmal Eure eigene Korruption in den Griff, hatte ich mich ereifert.

Doch Redermann hat sich längst wegdreht und geht weiter. „Ist ja gut, Dembowski. Reg Dich einfach ab. Deine miese Laune nervt. Du stellst alles in Frage. Immer und zu jeder Zeit. Kannst Du nicht einfach mal sagen: Geil! Kein Tunnelblick mehr. Perfekt. Du hast Recht, Redermann. Kannst Du das nicht?“ Redermann macht mich jetzt schon verrückt? Sollte der mir nicht als Ermittler an die Seite gestellt werden? Und jetzt das! Wie soll ich mich da auf den großen Boss und die anstehenden Aufgaben konzentrieren, wenn Redermann a) diese Aufgaben schafft und mich b) nicht in Ruhe lässt. Das wird schon, Dietfried, sage ich mir. Das wird schon, er muss sich erst aufspielen, er muss erst Stärke demonstrieren, er muss erst sein Revier abstecken.

Ich schaue auf die Uhr, die Zeit ist egal, aber das Datum bereitet mir Sorgen. „Redermann, haben wir wirklich bereits den 20.6.2011? Ich bin Anfang Juni nach Sopot gefahren, dann war ich in den Masuren, dann war ich in der Station und wurde Konstrukteur und all die Zeit hat mir niemand gesagt, dass heute der 20.6.2011 sein wird?“ „Nein!“ „Los jetzt. Wir müssen nach Frankfurt. Ich habe da eine Idee. Wir müssen schnell nach Frankfurt. Noch haben wir eine Chance.“

Wir stürmen aus der unterirdischen Aussichtsplattform auf dem Hügel, durch die Zauberertür rein in den Soulvan. Auf die 100, auf die Avus, raus aus Berlin, runter nach Frankfurt. Redermann macht es sich auf dem Fahrersitz mit der Süddeutschen gemütlich und liest vor: „ Diese Ehec-Bakterien sind auf den Menschen angewiesen, um sich zu vermehren. In der Umwelt können sie überleben, aber sie vermehren sich nicht stark”, sagt Helge Karch, Ehec-Experte an der Uni Münster. Allerdings ist zu vermuten, dass die Bevölkerung einen Immunschutz gegen Busen041 entwickelt, je mehr Personen damit in Berührung kommen.“ Ich schaue ihn an, er schaut mich an, der Soulvan fährt und aus der Anlage kommt eine alte Shake Baby Shake-Compilation. Ich schaue ihn an, er schaut mich an. Wir lachen. „Tomasz?“ „Tomasz! Nur die allerwichtigste, die größten Fälle. Du hast ihn doch gehört!“

In Frankfurt angekommen. Wir verfahren uns erst einmal. „Zur DFL-Zentrale? IT-Department?“ Sie weisen uns den Weg, wir ziehen unsere Anzüge an und schlendern mit einem fröhlichen „Hallo, wir müssen da mal was überprüfen“ hinein. Der Pförtner hebt kurz seinen Kopf, doch er kann nicht von der Süddeutschen lassen. Der Plan geht auf.