Liga Total Cup – Finaltag. Überraschend erhalte ich eine Einladung auf die grünen Wiesen vor Mainz. Das neue Stadion hat den Charme des Ikea-Lagers im Dortmunder Norden. Große Fensterflächen geben den Blick auf das große Nichts frei, doch dafür bin ich nicht hier. Ich soll mich um die Abwicklung des Kapitänamts kümmern und gleich auch ein paar Verhaltensregeln aufstellen. Ich hatte glaube ich bereits erwähnt, momentan laufen die Geschäfte und die Verhaltensregeln sind sogar ein weiterer erster eigener Auftrag für den “Samstag”.
Was für Verhaltensregeln, hatte Redermann mich dann auch gefragt und ich war wieder einmal erstaunt über seine Unwissenheit gewesen. “Dir ist schon klar, dass dieser Gündogan in der verbotenen Stadt geboren wurde. Und jetzt einfach hier spielen will? So einfach werden wir es ihm nicht machen können, er wird sich an ein paar Spielregeln halten müssen.” Redermann hatte nur genickt, verwundert genickt und mich angeschaut. Im Soulvan ging es runter in die Karnevalskapitale. Doch bevor Redermann mir mit seiner Musik nur annähernd auf die Nerven gehen konnte, hatte ich nicht nur bereits eine Flasche am Hals, sondern auch “Star Is Just A Sun” von The White Birch aufgelegt. Die üblichen Beschimpfungen ertrug ich mit Fassung. Redermann hat halt keinen Musikgeschmack, dachte ich, und sang bei Beauty King laut mit. “Don’t you get down? You better go. You, you know the clown. So let him go. If you want her. You better let go. And if she’s really sure. Then let her go. You and I. Begin again. You and I. And yet again”. Redermann war außer sich vor Wut, der Soulvan schlingerte auf der Bahn. “Unfassbarer Mist! Unfassbarer Mist! Wie kannst Du diesen depressiven Kram auch noch mitsingen? Du hast sie nicht alle, Dembowski. Du bist durch, sowas von durch. Ich sitze mit Dir hier im Wagen, fahre nach Mainz und hätte mir auf dem A la Carte mal richtig lecker den Bauch vollschlagen können. Was ist jetzt mit diesen Verhaltensregeln und was hat das mit dem Kapitänsamt auf sich?”
Er war mal wieder in voller Fahrt. Meist verstehe ich seine Ungeduld nicht und so war es auch auf der Fahrt nach Mainz. Ich erläuterte Redermann noch einmal den genauen Grund für die Verhaltensregeln. Aber auch beim dritten Mal “der kommt aus der verbotenen Stadt”, hatte er immer noch nichts verstanden. The White Birch waren mittlerweile bei den Donau Movies angekommen, Gitarren- und Bassläufe waberten durch den Van, ein Keyboard setzte ein und die Stimme von Ola Flottum zog mich sofort wieder in ihren Bann. Ich musste mich zusammenreißen, ich fingerte in meiner Tasche herum und zog den Zettel heraus.
Verhaltensregeln für Gündogan
1. Beim Tor für Borussia jubeln
2. Keine blauen Schuhe tragen
3. 2kg abnehmen
4. Nach den Spielen zur Süd und nicht zur Nord laufen
5. Das Vereinswappen ehren
Die Regeln, sagte ich zu Redermann, sind doch wirklich nicht schwer zu verstehen. Auch für Dich hoffentlich nicht. “Die halten wir ihm unter die Nase und er wird die unterschreiben müssen, sonst macht der “Samstag” ihm die Hölle heiß. Mittlerweile waren wir in Mainz. Aber das Stadion, so sagte man uns, sei jetzt ja nicht mehr in Mainz, sondern irgendwo auf einer Wiese. Wir sollten einfach dem Stau folgen.
Das also war unser Fahrt. Und jetzt sind wir hier auf der Tribüne und überlegen, wie wir an Gündogan rankommen und wie wir Zidan zum Kapitän befördern. Der alte Pharao hat es einfach verdient. Sagt nicht nur Redermann, das sagt auch Reiser, der auf einmal neben mir auf der Tribüne sitzt. Hat er uns durchschaut? Immerhin kennt er unseren Verhaltensregelkatalog noch nicht. Damit werden wir ihm einen Stich versetzen können, aber Zidan bereitet mir jetzt doch Kopfzerbrechen. Kurz vor dem Spiel läuft mir Kehl über den Weg. “Kehli”, ich deute auf seinen Arm und zeige auf Zidan. Er nickt kurz und hat verstanden. “Ich kann ohnehin nur über 30 Minuten gehen, dann bekommt der Älteste die Binde. Gündogan hat auch bereits gefragt, aber der soll erstmal die Regeln akzeptieren.” Reiser horcht auf, zückt seinen Block und fragt: “Was für Regeln?” Doch Kehl ist bereits weitergelaufen und wir wissen von nichts. Die Sache mit der Binde geht mir jedoch nicht mehr aus dem Kopf und Reiser bleibt weiter in Hörweite.
Kurz vor der Halbzeit verabschieden wir uns in Richtung Kabinen. Neven schaut Redermann an. “Der Herr, kennen wir uns?” “Klaro. Du hattest mich gestern eingeladen.” “Sicher, jetzt erinnere ich mich. Hineinspaziert!” In der Kabine herrscht gute Laune. Auch Kevin und Mario sind nach unten gekommen und tanzen den Rubbeldikatzringelreise, sie freuen sich bereits auf den nächsten Empfang am Borsigplatz. “Männer, dat wir noch ne ganz heiße Kiste”, übertöne ich Klopp und halte dem verdutzen Gündogan meinen Zettel hin. Er unterschreibt. Er will seine Ruhe. Kehl will nicht vom Platz, aber Redermann hat sich bereits an seiner Binde zu schaffen gemacht. “Runter damit, runter mit Dir. Es wird Zeit für den Weltuntergang!” Und so passiert es dann auch. Der Übungsleiter K befindet sich draußen noch im Gespräch mit seinem Seuchenkollegen, wir haben hier freie Wahl. “Ihr geht da jetzt raus und macht zwei Dinger. Tele, von Dir erwarte ich einfach mehr”, raunze ich den schlacksigen Brasilianer an, der mich entgeistert anstarrt. Doch sie folgen unseren Anweisungen.
Oben auf der Tribüne sehen wir die beiden Tore nur noch aus dem Augenwinkel, der Pressesprecher des BVB rennt aufgescheucht zwischen den Presseleuten hin und her und erklärt, dass es sich bei Zidan nur um ein Missverständnis handeln könne. Er würde es direkt nach Spielende aufklären. Redermann und ich stehen auf, gehen in den Presseraum und hauen uns erstmal ein paar Pils rein. Der Soulvan wird in Mainz bleiben müssen, wir dann wohl auch. “Anders”, erklärt mir Redermann “hätte ich den Tag auch nicht mehr überlebt. Deine Musik macht mich wahnsinnig.” “Ach, Redermann, The Winner Takes It All!”