Wie bereits im letzten Jahr schien also alles auf den 32.Spieltag hinauszulaufen. Ich spazierte mal wieder durch meinen Kiez, grüßte die Leute auf den Straßen, sie grüßten mich meist sogar zurück, manch einer raunte „Der Ermittler ist wieder unterwegs!“ Die Bonnies Ranch-Episode würde an mir haften bleiben, aber im Gegensatz zu anderen Bezirken war der Besuch der Ranch hier schon beinahe ein Adelstitel.

Die Meisterschaft hatte ich nicht gefeiert, denn es gab noch nichts zu feiern. Bereits im Dezember hatte ich mich mit Redermann für Gladbach verabredet. Und erst da, wenn alles glatt lief, würden wir feiern. Vorher nicht. Auf der Straße sahen die Leute das naturgemäß anders. Sie nickten mir zu, sprachen mir Glückwünsche im Namen ihrer Familie aus und fragten, was denn jetzt mit der Hertha sei. Bei Murat blieb ich stehen, er war Mitte 20 und erzählte, wie er damals mit dem Prince im Affenkäfig gezockt hatte. Darauf waren sie hier stolz.

An der Soldiner Brücke setzten wir uns hin und blickten auf die Kids in Götze und Reus-Trikots. Sie waren die neuen Helden der Berliner Kids Das erstaunte mich ein wenig. Vereinzelt sah man zwar das obligatorische Messi-Shirt, aber in der Tat wollten sie heutzutage Götze oder Reus sein. Murat erzählte davon, wie er irgendwann mit den Gangs auf die Straße ging. Er regte sich auf. Sie hatten sie mit Dreck beworfen und sie hatten sich die Straße zurückgeholt. Heute betreue er die Jungs. Es gibt immer andere Wege, sagte er, und deutete mit dem Finger auf den Zehnjährigen im Götze-Trikot. Der kann es schaffen, schau Dir an, wie er sich mit dem Ball bewegt und schau Dir diese feine Pässe an. René müsse halt aufpassen, die Gefahr lauere auf der Straße. Aber was solle René auch machen? Es war gut, mit Murat am Affenkäfig zu sitzen. Er war die Ruhe. Er hatte ein paar Dinge erlebt, über die er nicht sprechen wollte.

Ich verabschiedete mich von ihm. Auf bald! rief ich ihm zu und verschwand die Panke hoch zum Auffangbecken. Die Flugzeuge nahmen traurig Kurs auf Tegel. Nur noch 6 Wochen und hier würde ewige Ruhe herrschen. Diese 6 Wochen wollte ich auskosten, diese 6 Wochen, nahm ich mir vor, würde ich, so ich im Kiez war, auch am Auffangbecken verbringen. Borussia spielte die Saison des Lebens, schon wieder. Die Flugzeuge waren noch da. Die Sonne gewann an Kraft. Der April wurde langsam zu meinem Lieblingsmonat. Aus einer Baumkrone beobachtete mich ein Eichelhäher. Mein Lieblingsvogel. Ich hätte die Welt umarmen können. Doch schaute ich nur weiter den Flugzeugen nach. Selten war ich so voller Glück, so eins mit mir gewesen. Seit dem desaströsen Gladbach-Trip im vergangenen April hätte es für den Ermittler nicht besser laufen können, dachte ich.