Tage und Nächte wechseln sich hier unten nicht ab. Es gibt nur Tag, es gibt nur die Neonlichter und das Farbenspiel des Jezioro Nidzkie. Langsam haben sie mich weichgekloppt. Tomasz mit seinem Schweigen, Piotr mit seinen sonderbaren Aufträgen. Sie halten mich beschäftig und mir bleibt wenig Zeit über das Leben an der Oberfläche nachzudenken. Wir essen, wenn wir was geliefert bekommen, wir trinken das Wasser und die Softdrinks Der Kühlschrank wird von der anderen Seite befüllt, in einer Nische finden wir unsere Nahrung, auch sie wird geliefert. Doch niemals sehen wir einen anderen echten Menschen hier unten.

Meine Fragen hinsichtlich meiner Aufenthaltsdauer, aber auch meine Fragen zu den Essens- und Getränkelieferungen laufen ins Leere. Auch Piotr hört mich dann nicht. Vom auf dem See so redseligen Tomasz sind hier unten nur noch verkümmerte Reste übrig geblieben. Er widmet sich ausschließlich den wichtigsten Aufgaben, wie Piotr mir erklärt. Diese wichtigsten Aufgaben erforderten die höchste Konzentration und schon das Geräusch eines Wimpernschlags könnte im entscheidenden Moment die Arbeit vieler Woche, manchmal sogar Monate und in einem Fall, denn an welchem Fall Tomasz gerade arbeitete, das könne man nie so genau sagen und auch Piotr würde sich Tomasz nur in Ausnahmefällen mitteilen, er bekäme sozusagen immer nur das Ergebnis dieser manchmal jahrelangen Anstrengungen zu sehen, zerstören.

Es hätte also auch überhaupt keinen Sinn, in meiner kurzen Anwesenheit und momentan wäre die Dauer meines Aufenthalts zwar noch nicht bestimmt, ich könne aber davon ausgehen, dass ich mich irgendwann wieder an der Oberfläche wiederfinden würde, doch zur Zeit sei ein Wiederauftreten auch für mich persönlich grober Unfug, mit einem Ergebnis von Tomasz zu rechnen. Dieses Ergebnis, so Piotr weiter, würde Tomasz dann auch nur dem innersten Zirkel, zu dem ich natürlich noch gar nicht gehören könne, präsentieren. Jede weitere Frage nach dem Sinn derartiger Anstrengungen wären also ohnehin immer nur die sinnlosesten und würden mich von meiner eigentlichen Aufgabe hier unten ablenken.

Mein Zeitplan für die Rückkehr an die Oberfläche, für den Weg aus dem Schwan, dem prächtigsten Unterwasseraquarium der Masuren, wohlmöglich sogar Kontinentaleuropas, drüben auf der Insel gäbe es eine noch viel benutzerfreundlich ausgestattete Station, die für ihre Funktionalität in den höchsten Tönen und zwar nur von den größten Persönlichkeiten gelobt, ja sogar gepriesen werde, könne sich im ungünstigen Fall nicht nur verschieben, sondern für einige Zeit auf die lange Bank, und wenn ich, so Piotr, von Bänken rede, dann sind dies nicht die ufernahen Parkbänke am Jezioro Nidzkie.

Ich müsse mir also insgesamt wenig Sorgen machen und mich nur auf meine Aufgaben, die, das muss man Piotr lassen, auch regelmäßig gestellt wurden und die auch für einen einfachen Ermittler wie mich durchaus in Richtung Auflösung zielte, die jedoch und das wurde mir während der Rede klar, mit Sicherheit nicht die Bedeutung der Tomaszschen Anstrengungen hatten, konzentrieren und sie in aller Sorgfalt lösen, erst dann ergäbe sich und das auch erst nach einiger Zeit ein grober Überblick über die immense Bedeutung dieses, nur unter der Prämisse der äußersten Geheimhaltung überhaupt nur funktionierenden, Konstrukts.

„4, 8, 15, 16, 23, 42“ – die Nummern kann ich mittlerweile im Schlaf. Die Rede von Piotr hatte mich erschüttert und nur auf der Toilette kann ich für wenige Minuten mit meinen Gedanken allein sein. Ich benetze mein Gesicht mit kaltem Wasser, welches, so Piotr in einem seiner endlosen Monologe, direkt aus dem See stammt. Ich bin mir nicht sicher, was genau hinter den Worten Piotrs steckt und welches Konstrukt hier aufgebaubt wurde, und, so hatte Piotr mir ja zumindest erklärt, es auf der ganzen Welt diese Konstrukte gibt, was war ihre Funktion und welche Organisation hatte sie ins Leben gerufen? Oder war Piotr in all den Jahren einfach nur verrückt geworden?

Dafür, das hatte ich bereits bei der ersten Aufgabe festgestellt, war hier jedoch einfach zu viel Technik und auch zu viel Sinn hinter dieser Geschichte. Was bin ich nur für ein Ermittler, denke ich und betrete erneut den Hauptraum. Piotr weist mir meine Aufgabe zu. „Heute schaust Du Dir die aktuellen Sendungen von ML, KP und JBK an und suchst die gemeinsame Linie hinter der menschelnden Fassade. Du wirst einige Feststellungen machen, schreibe sie in das Dokument hier. Wir werden das Dokument dann im Anschluß gemeinsam auswerten. Es gibt einen begründeten Verdacht, dem wir unbedingt nachgehen müssen und nur Du als Muttersprachler wirst die feinen Nuancen erkennen können. An die Arbeit, Dembowski!“