Ist das die Krise? So wie wir sie uns vorgestellt haben? Zumindest glaube ich das. Sitze hier an einem Sonntag, es ist der zweite Adventssonntag. Es fühlt sich keineswegs so an. Wir haben die Punkte verloren. 1+1 = 2. 3 bleibt 3. Steht auf meinen Notizen. Zu mehr fühlte ich mich nicht in der Lage. Liegen gelassen. Fallen gelassen. Und alles nur weil Leitner & Bender fehlten. Unser Spiel bleibt da schwunglos. Das Metronom schlägt nicht mehr im Takt.
Ein besorgter Mann, ein besorgtes Lied. Vom Ende der Wachablösung. Wie sie mit den Elfmetern gespielt haben. Im Topspiel. Über den Fluß, besorgter Schlaf. Aber nicht zu lang. 2x werden wir noch wach. Als Tabellenführer. Am Montag. Danach , die Winterpause, in der wir mit 36 Punkten auf Kurs sein werden. Doch wirklich, ganz wirklich: An manchen Tagen ist der Fußball nur die halbe Miete. Er ist die Seifenblase in unserem Leben. Während ich am Tisch sitze, die Notizen durchgehe, die Carter Family höre und es der zweite Adventssonntag 2011 ist, blicke ich noch einmal auf das vergangene Jahr zurück.
Schulze & Koslowski hatten mich gereizt und mein Mutismus brach ganz langsam auf. Am Anfang war es mir schwer gefallen, die Worte zu finden, die mir Kommunikation ermöglichten. Ich hatte mich an der Stimme abgearbeitet, war in der Reiser-Falle und eben da in Gladbach erlebte ich den schlimmsten Tag in meinem Leben. Ostern 2011. Und wo war ich jetzt? In einer fremden Stadt, Teil der Konstrukteure. Überhaupt: Piotr! Was ein Mann. Wie er dort unten im Unterwasseraquarium in den Masuren die Geschicke der Welt steuerte. Es waren nicht die großen Krisen, die er lösen wollte. Er wollte die Welt zu einem anderen Ort machen. Seine Vergangenheit war Eure Zukunft und seine Gegenwart. Welch herrlicher Spinner Piotr doch ist. Er hatte sich die Welt erdacht und Instrumente gefunden.
Langsam verstummt die Carter Family. Die Hot Snakes sollen in Berlin sein. Ich werde nicht hingehen. Lege aber die Suicide Invoice auf. Teile von mir erinnern sich an Oslo. Teile von mir erinnern sich an den hageren Typen aus Alabama, der dereinst kein “Raw Meat” verspeisen wollte. Ich werde mich unter die Leute begeben. Vielleicht wird mir der Rothaarige über den Weg laufen, vielleicht werden sie mich ansprechen, vielleicht aber bleibe ich gänzlich unerkannt. Wie meist. Der Ermittler ist unscheinbar, notiere ich, schließe mein Buch und verschwinde in Richtung Stadt. Am Westhafen pausiere ich und schaue den Kohleschiffen nach. Wohin sie wohl fahren mögen? Haben sie jemals den Petroleumhafen in Dortmund gesehen?