Die Tage im Oderbruch konnten den Ermittler beruhigen. Dörte und Dembowski hatten genug Pläne.
Alles war gut. Nach nur einem Tag war ich wieder angekommen. Ich saß am Teich, sprach mit Koi. Ich saß am Tisch und machte Pläne mit Dörte. Sie hatte von ihren Reisen ein paar große Ideen mitgebracht. Die Lama-Farm würde expandieren, und wir den Sommer unseres Lebens haben. Lama-Trekking durch den Oderbruch. Dörte präsentierte mir ein paar Ideen und ich war sofort Feuer und Flamme. „Ich mach die Routen! Wir könnten einmal einfach den Treidelweg nehmen, dann aber eben auch abseitigere Wege beschreiten. Das wird ein Spaß. Auf dem Rücken eines Lamas liegt Dir die Welt zu Füßen.“
Dörte lachte. „Ohne Fußball, ohne Deine aufgeregten Ermittlungen, Deine Hektik, Dein nervöses Handeln. Ohne all das gefällst Du mir noch viel besser“. Sie drückte mir ein Kuss auf die Stirn. „Seltsam. Du mit Frisur. Sieht komisch aus. Und dann erst Dein Gesicht. So ohne Bar, so ohne Bart.“ Wir saßen im Garten, schauten den Blumen beim Wachsen und den Lamas beim Weiden zu. Sogar sie hatten mich vermisst. Ich war viel zu lange weg gewesen. Die Lama-Farm im Oderbruch. Eine Flucht in die Realität.
Als ich mal wieder am Gartenteich stand, schaute Koi mich aus traurigen Augen an. Er sei einsam, sehr einsam, und manchmal wünschte er sich nichts mehr als einen weiteren Karpfen in seinem Teich. Ich beruhigte ihn, erzählte noch einmal die Geschichten aus Vegas, und wie wir damals die Stadt für einen kurzen Moment in unseren Händen hielten. Koi wurde glücklicher, so glücklich jetzt. Und kein Runterbringer in Sicht. Die Geschichte von Dietfried und Koi ist noch lange nicht beendet, vergewisserte ich meinem alten Weggefährten. Er wusste es und ich wusste es und Dörte wusste es.
Wir verbrachten herrliche Tage und Abende im Oderbruch. Bis spät in die Nacht saßen wir beisammen, hörten alte Songs:Ohia-Platten, die den Oderbruch mit einer tragischen Melancholie überzogen. Über uns zogen ein paar Wildgänse her, hin und wieder stieß ein Roter Milan aus dem Himmel auf die Wiese hinter dem Garten hinab, auf der Suche nach Beute, meist erfolgreich, wie man an seinen Flugbewegungen unschwer erkennen konnte. Der Wind rauschte durch die neuen Blätter, die Bäume standen in voller Blüte, Molina sang und vor uns ausgebreitet lagen die Pläne für den kommenden Sommer. Darauf noch einen großen Schluck Wasser.
„Du bist so entspannt. Du musst wieder öfters zu uns kommen“, sagte Dörte. „Bald ist alles vorbei. Noch bis zum 25.Mai durchhalten. Dann ist es vorbei.“ „Ich weiß, der Fußball. Du kannst es nicht lassen. FC Bayern!“ Sie konnte es auch nicht lassen und wir würden niemals einer Meinung sein. Aber es gab wichtigere Dinge in unserem Leben. Ich musste Berg dankbar sein. Er hatte mich aus meinem nervösen Berliner Dasein befreit und mich an die wichtigen Dinge des Lebens erinnert. Ich würde es ihm zurückzahlen, irgendwann.
Dörte legte Yo La Tengo auf, langsam entfaltete sich der Big Day Coming. Ich konnte nicht loslassen und bald wurde es Mitternacht. „Du wirst gehen müssen. Du wirst es Dir anschauen müssen.“ Sie verstand und ich verstand. Und wir hörten Yo La Tengo und tranken jetzt Wein.
Als der Morgen anbrach, machte ich mich auf den Weg in Richtung Eberswalde. Um 8 saß ich im Zug und das Berliner Vorland rauschte an mir vorbei. Ich hörte alte Inspiral Carpets-Sachen und sah, wie sich immer mehr Häuser in mein Blickfeld schoben. Nur noch ein paar Stunden. Nur noch zwölf Stunden und was würde dann sein? Ich konnte es kaum noch aushalten. Aber die Tage im Oderbruch hatten die Perspektiven geordnet.
…there`s a Lama coming…you should only wait…it says: "Let's take a walk, I wanna hold your hand, we don't have to talk"