Endlich sind die Osterferien vorbei. Noch eine Woche länger und man hätte mich in den Abendnachrichten und auf den Blättern dieser Nation gesehen. Die verfluchten Kinder auf der Straße haben mir doch ganz schön zugesetzt. Kaum noch hab ich mich auf die Straße getraut, wenn dann immer nur unter den höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Wenn sie mich dann doch erwischten, sprangen sie sofort um mich herum und sangen in einer Tour und immer wieder: „Ein Mann, der sich Dembowski nannt, Widewidewitt bum bum. War in der Nordstadt wohlbekannt, Widewidewitt bum bum. Es drückten ihn die Sorgen schwer, Widewidewitt, juch-hei-ras-sa! Er suchte neues Bier beim Bär. Widewidewitt bum bum“ Auch die Wentraud hatte deswegen natürlich keine gute Laune. „Erstmal, Dembowski, war das ein Affenmaskenmann und eben kein Bärenmaskenmann, das habe ich den Kindern auch immer wieder gesagt, ich weiß auch nicht, was die Zeitung da geschrieben hat, und zweimal, Dembowski, solltest Du Dir was einfallen lassen. Du bist das Gespött der Straße. Hör auf zu trinken, versuche Deine Sorgen anders zu bekämpfen. Ich sehe doch, dass es Dir dreckig geht, mein Lieber!“

Und natürlich, da muss ich der Wentraud Recht geben, mir geht es dreckig. Seit dem Dörte Flashback bin ich noch mehr aufgewühlt. Ich hätte alles haben können, sagte ich mir in der vergangenen Woche immer wieder und ich habe nichts, nur die Gewissheit, ein Schlagzeilengenerator zu sein. Nicht einmal ein besonders guter Schlagzeilengenerator. Reiser hat andere Quellen und ich verbringe meine Ermittlungen in Kühlhäusern, komme da mit Meistermilchpackungen raus. Klar! Das Lied ist genial. Ich schmetter es unter der Dusche, vertont ist es aber immer noch nicht. Subotic macht aus Gegnern Brei! Ja, wir haben keine Nummer 3! Darauf musste man erst einmal kommen, ich bin mir sogar sicher, darauf wären nicht viele, ja, nur die wenigsten sogenannten kreativen Köpfe überhaupt gekommen. Aber die Fakten sind andere. Die Kinder verspotten mich mit umgedichteten Volksweisen, die Wentraud dichtet mir ein Alkoholproblem an, obwohl sie Probleme hat, eine Bären- von einer Affenmaske zu unterscheiden, Reiser lässt mich mit meinem Meistersong hängen, Martin will Kohle von mir, die Spritpreise sagt er, in der Kneipe habe ich kein Kredit mehr und die Stadtfeierlichkeiten lassen auch auf sich warten.

Dann noch die Sache gestern. Die Kinder hatten mich mal wieder erwischt, ich machte noch an der Haustür kehrt, doch ihre Hohngesänge knallten bis in die Erdgeschosswohnung und dann durch die Rollläden. Ich musste raus. Schnell den Rucksack gepackt, den iPod auf, die Flipflops an, den Schnaps in den Rucksack und los. Einfach weg. Einfach laufen. Andrew Bird hat den Soundtrack für meinen Lauf gegen mich. „Now if you think, I’m wasting your time again. I’m wasting your time“ Am Kanal vorbei, die grillenden Massen verachten, den Schwimmern das Petroleum an die Haut wünschen, den Ruderern Ruderbruch wünschen. Bob Dylan murmelt „Aint talkin, just walking“, denke ich zumindest, der Fredenbaum mit all seinen ungelösten Kriminalfällen, erste Pause, ein tiefen Schluck aus der Flasche, Tilman Rossmy konstatiert „wenn Du einmal fällst, fällst Du für ne lange lange Zeit“ und LCD Soundsystem knallt mir auf den Feldern bei Brechten den Nordstadt Scum entgegen.

Wieder ein Schluck gegen die Realität und für das Vergessen, Gierke naseweist „wir sind mitten im Krieg“. Auf einer Bank Platz nehmen, niemanden mehr wahrnehmen, noch einen Schluck, noch eine Pause, noch ein Lied, noch ein Schritt, die nächste Bank. Es stand nicht im Vertrag. Das Rauschen der A2 über Savoy Grands A Good Walk Spoiled. Hoffnung, die auf dem Land stirbt. Die mit jedem Schluck aus der Flasche gegen ihren Tod ankämpft. Gedanken an Dörte. Gedanken an den kommenden Tag. Ein Strudel in den Abgrund. In der Ferne das Lanstroper Ei, dahinter dunkle Gewitterwolken. Das wird nichts. Die Kinks jetzt. „I won’t take all that they hand me down, and make out a smile, though I wear a frown, and I wo’t take it all lying down, cause once I get started I go to town. Cause I’m not like everybody else. I don’t want to be destroyed like everybody else”. Der blanke Hohn. Der Regen, ein Spurt, der Verlust der Flipflops, die letzten Meter barfuß. Bis zum Ei. Aus dunklen Regenwolken wird Nacht. Ein letzter Schluck aus der Flasche, leer. Sie rollt die Rote Fuhr runter. Freitag, der 29.04.2011, es ist 23.39 Uhr. Ich kauer mich ans Ei und starre in die Finsternis. Der iPod gibt seinen Dienst auf. Stille, das Rauschen der Autobahn.

Seit ein paar Minuten bin ich zurück, irgendwann in der Nacht bin ich zurückgegangen. Ich lege die Smashing Pumpkins auf, die Nachbarn klopfen. Ich werde in Richtung Stadion gehen. Der 30.04 kann nur besser werden.