Wo bin ich hier jetzt reingeraten? Ich mache es mir auf einem der Sitze bequem, mit dem Rücken zu da wo gerade noch die Tür war. Jetzt hängt dort eine riesige Leinwand. „Dreh Dich um, Dembowski! Das hier ist Dein Leben“, fordert Piotr mich auf. Auf der Leinwand breiten sich Bilder, Wörter, Zahlen aus. Die Szenen spielen in einer Galerie. „Schau „Erdgeschosswohung! Erdgeschosswohnung! Erdgeschosswohnung!“ ,ist das Wort, das Du am meisten benutzt.“ Aus den Ecken dringt nun Musik von mir. Von Synthesizern begleitet in einer fremden Sprache, mit einer leicht im Hintergrund schwebenden Melancholie und einer ungewöhnliche kalten Klarheit im Gesang singt dort jemand: „”Piti vähän irroitella ja oon ihan pihalla. No mitäpä sie? Discoon, Discoon, Discoon, Discoon, Enoon, Enoon, Enoon, Enoon, Enoon!” Ich drehe mich wieder um, die Vorführung auf der Leinwand ist beendet.
„Was zum Teufel mach ich hier, Piotr?“ „Du musst die innere Ruhe finden, Du musst zu Dir zurückfinden.“ Piotr steht an der Scheibe, er dreht sich nicht um. Discoon, Discoon, Discoon. „Schau Dir die Fische an, sie durchbrechen die Algen nicht, sie stören sich nicht an uns, sie schwimmen hier im See und wenn es schlecht kommt, landen sie bei Tomasz auf dem Tisch. Aber Du hast selbst gesehen: Er ist kein talentierter Angler.“ Enoon, Enoon, Enoon. Ich drehe mich wieder um. Aus meinem Leben ist das Fifa-Hauptquartier in Zürich geworden. Piotr und Tomasz bewegen sich langsam in Richtung Computer. Piotr setzt sich ein Headset auf, sie verständigen sich auf Polnisch. Alles bleibt mir ein Rätsel, aus dem Hauptquartier wird Sendai und danach sehe ich einen Aufgang zu einem Hotel, es liegt an einem Hügel, eine kleine Straße windet sich den letzten Meter steil zum Eingang hinauf. Im unteren Bereich stehen eine Menge Menschen, die sich mit ihren Kameras filmen.
“Walter Petersen hier. Das Dolder ist gestrichen. Gnägi hat es uns untersagt. Mit Untersuchungen gedroht!“ Vor dem Hotel sehe ich jemanden, der kopfschüttelnd in sein Handy spricht. „Schöne Sneakers.“ Der Blick wandert nach unten. „Ich habe sie im Blick, ich kann nur nicht aus Deckung. Untersuchungen drohen. Ich wiederhole: Untersuchungen drohen! Doch die Welle wird weiterrollen.“ Piti vähän irroitella ja oon ihan pihalla. No mitäpä sie?
Die Musik endet, auf einmal herrscht Schweigen. Auch Piotr hat sein Gespräch beendet, Tomasz hackt schon seit einiger Zeit längere Texte in einen der Computer, ich sehe seine Finger über die Tastatur fliegen, doch auf die Distanz sehe ich nicht, was genau er da schreibt. „Ich steig aus dem Fluss, wenn es dunkel wird. Ich steig aus dem Fluss in der Nacht. Ich war krank, doch jetzt geht es mir besser. Ich hatte die ganze Zeit nur an Dich gedacht.“ Eindeutig, denke ich, das ist Deutsch. Endlich wieder ein Sprache, die ich verstehe.
Nach dem Telefonat wird nicht mehr geredet, auch Piotr hat es sich an einem der Computer bequem gemacht und scheint etwas zu schreiben. Mir bleibt nur der Sessel, mit dem ich mich jetzt wieder in Richtung Glas bewege. Das Wasser ist jetzt dunkler, die Sonne muss gewandert sein. „Komm mit mir an den Fluss, schöne junge Frau. Komm mit mir an den Fluss heute Nacht. Denn Du bist nicht wie die Anderen, sie waren nicht gut zu mir. Du bist nicht wie die Anderen, sie waren nicht gut zu mir“ „Dembowski, merkst Du was? Merkst Du überhaupt noch was“, schreit mich Piotr aus der Ferne an.
Seitdem wir hier unten sind, hat Tomasz, der doch so gesprächig war, nicht ein Wort zu mir gesagt. Nur noch Piotr redet. Und er redet und redet. Manchmal mit mir, manchmal aber auch einfach nur so. „Dass Du auch gerade diese Woche kommen musstest, die Operation ist noch lange nicht vorbei. Es wird keine Welle geben. Es hat niemals eine Welle gegeben. Wir schüren die Angst des weißen Mannes. Er ist längst verloren. Vielleicht können wir uns noch retten. Aber die internationalen Verflechtungen sind seit einiger Zeit auch für uns nicht mehr einfach zu durschauen. Und dann kommst Du mit Deinen Problemen, Du willst sie gelöst wissen und weißt nicht einmal, was genau Du gelöst haben willst. Schau“, er deutet auf die Leinwand „siehst Du die Frau dort tanzen? Sie wird die Bühne gleich verlassen und sich auf einem Schoß räkeln. Der Mann, nennen wir ihn Brutus, wird nicht aufstehen. Doch tief im Innern wird er in den nächsten Wochen eine Wandlung durchmachen. Du denkst, sie singt. Sie singt aber nicht, in ihren Worten sind geheime Botschaften versteckt. Woher ich das weiß? Denk einfach drüber nach, Du wirst auf die Lösung kommen, mein lieber Kleingeist. Es ist nicht einfach, Dich mit unserer Zivilisationsform in Einklang zu bringen, Dietfried. Es ist nicht einfach. Wahrlich nicht. Und ich bemühe mich weidlich. Zwischen all der Arbeit hier unten.“
„Wir wohnen alle in einem schwarzen Unterseeboot“ aber viel mehr wäre mir jetzt nach den Beach Boys, ich habe den Sänger zwar ausmachen können, aber was Olifr hier soll ist mir ein Rätsel. Es ist der schlimmste Trip und er endet nicht. „Ich will zurück, in die Erdgeschosswohnung, in meine Erdgeschosswohnung. In die Erdgeschosswohnung in der Nordstadt. Zurück zu Reiser, zurück zur Wentraud, zurück in die Kneipe. Was machst ihr mit mir?“ „Typ, raffst Du denn gar nichts?“ Piotr schnaubt, wendet sich dann wieder seinem Computer zu.