In Berlin spielte Dembowski seine Rolle weiter. Im Oderbruch nahm das Projekt Lama-Trekking Fahrt auf. 

Irgendwann an dem letzten Dienstag im April kam ich dann in Berlin an. Es war noch früh und ganz langsam kroch die Aufregung in mir hoch. Am frühen Nachmittag musste ich mir mein erstes Bier aufmachen. Auf meinem Tisch lagen ein Haufen unbezahlter Rechnungen, die ich aus dem verstopften Briefkasten gezogen hatte. Berg musste unbedingt mal wieder Kohle rüberwachsen lassen. Nur würde er diesmal dafür eine Gegenleistung erwarten. Zu einem späteren Zeitpunkt würde ich mir Gedanken machen, dachte ich, mir das erste Bier des Tages aufmachen. 
Unten rauschte der einsetzende Feierabendverkehr stadtauswärts, in mir rauschten die letzten Wochen noch einmal an mir vorbei. Die Sekunden vor dem Stadion, die ich mir nie verzeihen würde, das Hinspiel gegen Real, die wertlosen Muster in der Liga, die wir allesamt irgendwie gewonnen hatten und die ich doch kaum mehr mitbekommen hatte. Die Geschehnisse rund um den Verein, die mit zunehmenden Erfolg immer mehr in die Absurdität abdrifteten, die die DerSamstag!-Berichterstattung längst überholt hatten und die also zwar für allgemeine Aufregung sorgten, aber von wenig Bedeutung für das eigentliche Spiel auf dem Platz waren. 
Noch ein paar Stunden, ich machte mich fertig, zog zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mal mein „Geile Saison, Jungs!“-Trikot an, darüber eine abgewetzte Lederjacke, setzte mir eine Base-Cap auf und spazierte langsam los. Einfach los. Mit meinen Gedanken weit weg, mit den Füßen bald auf der Brunnenstraße und über den Lustgarten in Richtung Kreuzberg, das sich langsam auf die Maifeiern vorbereite. Umso näher ich Kreuzberg kam, umso mehr Wannen fuhren an mir vorbei. Am Moritzplatz hatten sie die Schilder umgedreht und dort, wo es sonst nach Kreuzberg ging, ging es jetzt nach Schöneberg und anstatt nach Schöneberg ging es nach Mitte und in Richtung Neukölln lag Kreuzberg und in Richtung Mitte lag Neukölln. 
Es ging in Richtung 18 Uhr und es waren wahnsinnig aufgeregte Menschen unterwegs. Ich saß jetzt an einem Kiosk direkt am Moritzplatz, blickte mal auf die in alle Himmelsrichtungen eilenden Wannen, die nach Schöneberg fuhren und aus Mitte kamen und aus Schöneberg zurückkehrten, um in Richtung Neukölln zu fahren und manchmal sich einfach nur im Kreis über den Moritzplatz bewegten, hielten, Passanten um Informationen baten, die aber nicht antworten wollten und darunter hatten sich jetzt aufgeregte Menschen gemischt, die mal in diese Kneipe, wenn die aber voll in die andere Kneipe gehen wollte, um das Must-Spiel des Abends zu sehen. 
Auch in Berlin war es jetzt also wieder Pflicht geworden, die letzten Spiele der Champions League-Saison zu sehen und sich über die Transfers, Hoeneß und die wunderbaren Dortmunder, die aber nur in einem Wettbewerb bestehen können und ohne Götze bald wieder auf Grund laufen würden, auszutauschen. Lange Jahre hatte ich die letzten Spiele der jeweiligen Champions League-Saisons nur am Rande verfolgt, und auch wenn die Bayern es mal wieder in die Vorschlussrunde und später auch ins Finale geschafft hatten, war es für mich nur von geringstem Interesse gewesen.
Die Leute hier tickten anders, sie interessierte Fußball als gesellschaftliches Ereignis, zu dem man schnell einmal eine Meinung entwickeln konnte. Tagsüber saßen sie in ihren Mitte Büros, machten irgendwas mit Internet oder Marketing, manche hatten sich auch dem Design verschrieben. Gab es etwas zu protestieren, so protestierten sie gegen die voranschreitende Gentrifizierung ihres Kiezes oder darüber, wie die Stadt Berlin mit ihrer Geschichte umging. Sonst hingen sie in Parks, kifften, grillten, und unterhielten sich über die Netzneutralität, die Unverschämtheiten der Telekom und die Unwägbarkeiten des Flughafenbaus im Angesicht der anstehenden Gema-Reformen, die ein Überleben in der Club-Szene beinahe unmöglich machten. Jetzt also stand Fußball auf der Tagesordnung. Und da ging es jetzt auch darum, den Engländern es mal so richtig zu zeigen, wie ich einigen Gesprächen entnahm, die von der Tür einer nahegelegenen Kneipe zu mir herüberschallten. 
Die Geister, die ich rief, konnte ich nur hinter mir lassen, indem ich irgendwann weiter hinter das Kottbusser Tor schritt und in meiner Kneipe wieder aufgeregter wurde. Sie waren alle gekommen und meine Perspektiven verschoben sich wieder. Natürlich regte ich mich jetzt noch einmal über die Gebaren der Bayern auf, natürlich musste Hoeneß jetzt hinter Gittern landen und natürlich wünschte ich mir diesen oder jenen Spieler im BVB-Trikot.
„Wat sacht denn DerSamstag! dazu“ war eine der Fragen, die mir ständig gestellt wurden und ich hatte mir längst eingestanden, dass DerSamstag! keinen Plan, keinen Informanten und kein Interesse mehr hatte, ständig die irrwitzigsten Gerüchte zu kommentieren und ich mir nicht einmal mehr sicher war, ob anhaltender, dauerhafter Erfolg im Fußball überhaupt wichtig war oder ob es eben doch um ganz andere Dinge wie Freundschaft, Ablenkung und den kleinsten gemeinsamen Nenner gab. Das aber konnte ich naturgemäß nicht antworten. Längst hatte DerSamstag! ein nicht mehr zu kontrollierende Eigenleben entwickelt, war größer als die Summe aus Redermann und mir, war zu einem Leitmedium in Fachkreisen geworden. 
Wenngleich ich mich in der Kneipe naturgemäß nicht in Fach-, sondern in Fankreisen befand, freute mich die Anerkennung, die mir entgegenschlug. Der besoffene Ermittler war einmal, aber ich nahm mir vor, diese Nummer zumindest während des Spiels noch einmal zu geben. Sie liebten es, ich liebte es und zu den Transfergerüchten sagte ich, dass ich da sehr wohl und neulich erst und „aus allerbester Quelle, vereinsnah natürlich“ etwas vernommen hätte, mir aber eine Sperrfrist auferlegt worden sein, deren Nichteinhaltung fatale Konsequenzen für den Verein, und aber auch für mich haben würde. Sie können sich aber, sagte ich vor versammelter Mannschaft (und wie sie mir an den Lippen hingen und mir immer wieder neue Biere reichten), auf eine „Bombe“ von „außerordentlicher Sprengkraft“ gefasst machen. Dann schrie ich „Brace! Brace!“, stürzte noch ein Kronen runter und auf Sky entwickelte die Metze abenteuerliche Theorien. 
Und auf dem Telefon erreichte mich eine Nachricht von Amok. Kurz angebunden: Klinik, Fersen durch. Alles Mist! Amok hatte ich natürlich auch vergessen, es war der Schein, der mich antrieb, wenn ich in der Stadt war und es war die Lama-Farm, die mich beruhigte, wenn ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Dazwischen gab es wenig. Für Amok, egal wie die Kiste ausging, aber nicht einmal mehr London. Mein Starreporter war mir schon länger abhandengekommen, weil ich keine Starreporter mehr brauchte, ich hatte andere Methoden entdeckt. 
Mittlerweile hatte das Spiel begonnen und Angriff um Angriff rollte auf das Weidenfeller-Tor, den das alles nicht störte, der mit einer Seelenruhe das Schiff durch den Sturm und in die Tiefausläufer führte, es beruhigte sich und langsam segelten wir in Richtung Finale, in Richtung London (mach es noch einmal, Borussia!). In der zweiten Halbzeit wurde ich langsam nervös. Zu verschwenderisch war unsere Leistung, zu bedrohlich wirkte das Bernabeu an diesem Abend. Nachdem Lewandowski nicht einmal mehr durch die Abwehrbeine kam, war mir klar, dass es noch einmal mehr als abenteuerlich werden würde. Niemand stimmte mir zu (trotz der Bewunderung, die DerSamstag! entgegenschlug, betrachteten sie mich weiterhin als den trunkenen Ermittler und ich spielte meine Rolle gut an diesem Abend).
Natürlich traf Real und noch ein weiteres Mal. Wir lagen auf der Seite, die nächste Welle würde das Schiff sinken lassen, aber stattdessen ging Bender getroffen von einem Madrid-Bein auf den Boden. Es wurde ruhiger, die Bälle waren jetzt meist an der Eckfahne Madrids. Wenn sie nach vorne kamen, blieb es wenig gefährlich. Dann war Schluß, ich bestellte mir ein neues Kronen und sackte zusammen. Wembley 2013. Mit der Borussia und DerSamstag! würde exklusiv aus dem Stadion berichten. Langsam, ohne es zu merken, zog ich mich aus. 
„Für immer nackt möchte ich sein, für immer Finale möchte ich sein. Möchtest Du wirklich niemals siegen können? Für immer Finale möchte ich sein.“ 
Sie betrachteten mich, wendeten verschämt ihre Köpfe zur Seite und als ich mich wieder angezogen hatte, verschwand ich aus der Kneipe. Auf der Straße lief mir Hesse entgegen, der kopfschüttelnd von seinen Erlebnissen in Friedrichshain erzählte. „Die dachten wir sind durch. Immer wieder. Und natürlich habe ich gesagt, dass ein Spiel 90 Minuten dauert, dass erst Ende ist, wenn Ende ist, aber sie hielten es für Floskeln“. Ich machte, dass ich davonkam, ich wollte mich nicht mehr über das Spiel unterhalten. Ich wollte zurück auf die Lama-Farm, vor den Höllenqualen der nächsten drei Woche fliehen. 
Dörte hatte ein paar Flyer angefertigt, am Freitag würden die ersten Gäste kommen, den Tag der Arbeit verbrachten wir mit langen Spaziergängen durch den Oderbruch, verloren kein Wort über den Fußball und schmiedeten Pläne für den anstehenden Sommer. Am Donnerstag bereiteten wir Gemüseburger, Burger und ein kleines Grillfest vor. Wir tranken einen Wein, betrachteten die Lamas, und gingen noch einmal die Routen durch. Als am Freitag die ersten Gäste eintrafen und Dörte vom Oderbruch Kurier interviewt wurde, legte ich mich auf die Wiese und starrte in den Himmel.