Das Wochenende. Dazwischen. Zwischen Werden und Sein. Vor dem Pokal. Doch die Spannung darf nicht abfallen. Alles für Projekt 81, für den ewigen Bundesligarekord. Ohne Kuba, ohne Schmelzer. Es wird auf dem Berg nicht einfach. Den Berg, den Dörte einst mit „Die ganze Stadt ist ein einziger Dreckshaufen, und der Betze die Scheiße oben drauf“ beschrieb. Sie war eine Frau der deutlichen Worte. Dafür hatte ich sie verehrt. Jetzt war sie nicht mehr und ich konnte mich an der Erinnerung entlang hangeln. Es half nichts, doch so sehr ich mich auch bemühte, sie war präsenter denn je.

Es war wieder an der Zeit für die große Melancholie. Es war wieder an der Zeit für Hass. Beides ging bei mir einher. Ich beobachtete die Flugzeuge, deren Landungen in Tegel nunmehr endlich waren, traf Vorbereitungen für den 02.06.2012. Gegen 22.50 Uhr würde die letzte Maschine Tegel verlassen, danach würde Ruhe folgen. Ewige Ruhe. Bis in die Unendlichkeit gedehnt. Vom Humboldthain aus würde sich die gähnende Leere über dem Berliner Himmel besonders bemerkbar machen.
Wenn ich also nicht in der Küche saß, wenn ich nicht Kneipen und Läden besuchte, um meinen Lebensstil zu finanzieren, spazierte ich dieser Tage besonders gerne in Richtung Humboldthain.

Bevor ich auf den Berg stieg, setzte ich mich mit einem Wasser in den Rosengarten und fühlte mich unendlich alt. Einst hatte ich hier Bier getrunken, doch auf meinen spärlichen Ausflügen in die Natur, der Hain war für mich genau das: Natur, beschränkte ich mich mittlerweile auf Wasser. Dann sagte ich mir: „Dembowski, altes Haus! So alt bist Du jetzt geworden. Willst kein Bier mehr trinken. Lebst richtig gesund!“ Die paar Serpentinen kürzte ich über die Stufen ab, erreichte so die Aussichtsplattform meist noch vor den gleichzeitig mit mir gestarteten Joggern. Oben grillten die Russen, die Türken. Die Deutschen hatten sich Bier mitgebracht und die besten Plätze gesichert.

So stand ich dort oben meist eine Stunde in der Abenddämmerung und schwieg. Sah die Flugzeuge anfliegen, dann über dem Kutschi runtergehen und schlußendlich auf der Landebahn verschwinden. Berlin gab das auf, schenkte es her. Auch dort würden irgendwann einmal Town Houses entstehen. Das aber war noch lange hin. Nun erreichten die Hipster erst einmal ganz langsam den Wedding. Die Ankündigung der Maikrawalle reichte aus, um diesen Eindruck zu bestätigen. Sie holten sich die Bezirke über Maikrawalle. Stück für Stück. Sie hatten in Kreuzberg und im Prenzlauer Berg Familien gegründet und schickten ihre Kinder jetzt rüber in den Wedding. „Holt Ihn Euch!“, war die Anweisung. Und der erste Schritt war Krawall. Mir graute es davor. Doch zwischen Krawallen und Gentrifizierung standen ein paar Jahre, die ich gut verbringen wollte. Danach eben raus ins MV, aber bis dahin Soldiner Kiez.

Auf dem Hügel im Humboldthain stehend dachte ich an die Borussia. Noch drei Spiele standen in dieser Saison an und, egal was andere mir erzählten, drei Siege mussten her. Die Ausgangslage hatte sich unter der Woche nicht verschlechtert. Überhaupt keine Frage. Jetzt galt es diese Saison zu der unglaublichsten Saison aller Zeiten zu machen. National. International hatte ich mir für das nächste Jahr notiert.