Barcelona 7 Leverkusen 1. Als ich das Ergebnis sah, hatte ich längst alles Zeitgefühl verloren. War es Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag? Und ich bei meiner Dörte wär, der Dörte wär. Es war Donnerstag. Die Zeitung vom Vortag und Komaroff hing immer noch neben mir rum. Er redete und redete und ich hatte endgültig die Orientierung verloren. Mir war klar, dass dieser unscheinbare Typ, der unter anderen Gegebenheiten mein Freund hätte sein können, zu allem fähig war. Doch er wollte nicht mit der Sprache rausrücken.
Er wusste scheinbar eine ganze Menge über mich. Es störte mich jedoch nicht sonderlich. Sollte er doch eine Menge über mich wissen, ihm würde es schon noch vergehen. Nicht einmal ich hielt es mit mir aus. Wie also sollten die Wahrheiten über den Ermittler, andere Leute nicht an den Rande des Abgrunds treiben? Es war der langweiligste Fall der Geschichte, und, so stellte ich es mir auf dem Barhocker sitzend vor, Komarroff würde daran zu Grunde gehen.
Komaroff sprach zunehmend zusammenhangsloser. Tiere, Drehbücher, Blut. Bling, Blong. Ding, Dong. Die Revolution am Beispiel bildungsferner Schichten. Die Silvio-Verschwörung. Der Typ war definitiv nicht mehr dicht. Ich bezweifelte, dass er hinter seinen Worten Sinn vermutete. Wenn man einen Schuldigen trifft, schläft er im Verhör einfach ein. Wenn man einen Unschuldigen trifft, verzweifelt er mitten in der Nacht, an dem ihm vorgeworfenen Verbrechen.
Das Publikum in der Kneipe hatte gewechselt. Auf einmal standen die Mitte-Hipster an der Bar und orderten ihre Fancy-Drinks. Und auf einmal trugen die Frauen gefakte Pelzmäntel. Einer der Gäste hatte sich das Mikrofon geschnappt. Was er für ironische Bemerkungen zum Thema Schlager hielt, war am Ende nur Schlager. Seine, wie er vorher noch erzählte, gänzlich unpeinlichen Texte handelte von der Liebe, dem Verlassenwerden und dem Fluß des Lebens. Ich hatte das bereits in zweihundert Variationen gehört. Das hier ordnete sich am unteren Ende der Skala ein.
„Wenn man ein Rennpferd mit einem Shetlandpony kreuzt, hat man am Ende auch kein Rennpferd mehr“. Komaroff nutzte eine der Pausen. Wir waren jetzt also bei den Pferden. Ich brachte den Witz nicht, ließ ihn weiterreden. „Und wenn man einen RTL2-Bildungsbürger mit einem Mitte-Hipster kreuzt, hat man am Ende eben auch keinen Bildungsbürger mehr. Ich will aber Bilder erzeugen. Bilder von epochaler Wucht, die für immer in Erinnerung bleiben.“
„Komaroff, am Ende des Regenbogens soll es Landschaften von größter Schönheit geben. Neulich erst hat man einen Bundespräsidenten dahin geschickt. Willst Du mal schauen, wo er geblieben ist?“
Langsam gewann ich die Oberhand. Der Sänger hatte die Kneipe wieder verlassen. Jetzt waren nur noch die schweren Trinker da. Ich fühlte mich zuhause. Sogar die Jukebox wurde langsam mein Freund. Ich fand die Notorious B.I.G.-Version von Bang Bang. It was 15 years ago today. Schon so lang. Bang Bang. I shot you down.You hit the ground. Bang Bang.