Die Maschine würde ich schnell vergessen müssen. Zum Glück war die Winterpausenzeit abgelaufen und langsam breitete sich erneut die alte Unruhe in mir aus. Was wird passieren, welche Geschichten werden an den nächsten 17 Spieltagen geschrieben, können Amok, Redermann und ich maßgeblich an der Aufklärung der Schallattacke mitwirken? Welchem Gesetz der Serie wird die Liga folgen? Dem Gesetz der Dortmunder Doppelmeisterschaften oder dem Gesetz der geraden Jahre? Das waren nur ein paar der offenen Fragen, die ich mir an diesem späten Mittwoch in eine Datei notierte.
Aber all die Fragen, all die Notizen verstärkten meine Unruhe nur. Wir überleben die Winterpause, wir lenken uns ab und schaffen uns eine Ersatzbefriedigung, doch unsere Sucht verlangt nach Spielen, nach den 90 Minuten dort unten auf dem Platz. Während wir auf der Tribüne stehen, die Mannschaft nach vorne peitschen und während wir auf der Tribüne sitzen, uns mit unserem Sitznachbarn unterhalten. Fans! Da macht man keinen Unterschied. Alle gleich. Manch einer natürlich betrunken. Aber auch da. Durch alle Schichten.
Überhaupt: Schichten! Früher sind sie eingefahren. Runter. Kamen hoch, haben ihren Lohn in der Pinte am Werkstor abgeholt, den Großteil dann dort gelassen und wenn noch was übrig blieb, ging es mit der Tochter in die Wettbude. Wenn die Pferde richtig liefen, war der Lohn gestreckt, wenn die Mistgäule mal wieder kläglich vor der Ziellinie stolperten, dann war der Lohn für die Woche eben weg. Passierte. Und manchmal, wenn ich mal wieder meine Kohle im Oldie Eck eingetauscht habe oder neuerdings der fetten Qualle von Pankow bei ihren graziösen Flipper-Bewegungen zugeschaut habe, dann fühlte ich mich wie meine Ahnen aus dem Pott.
Die lange Lebenslinie. Die, die uns nahe stehen, sind meist schon nicht mehr da, wenn wir das Licht der Welt erblicken und die, die uns nahe stehen werden, noch nicht geboren. Und in all der Zeit hier schaffen wir es nicht, bleibende Dinge zu schaffen. Wir nehmen uns wichtig, weil wir uns wichtig nehmen müssen. Niemand sonst macht das. Und wenn ich ermittle, dann ermittle ich, um etwas zu tun zu haben. Aufstehen, arbeiten, TV, schlafen. Der Beat des Lebens. Nicht für den Ermittler. Immerhin. Da war ich raus. Jetzt mit meiner Maschine, die mich an fremde Orte führen sollte, war ich ohnehin raus. Sie hatte nicht einmal eine Gebrauchsanleitung.
Wieder und wieder zogen die Bilder der vergangenen Saison an mir vorbei. Verdammt! Das war die beste Saison unseres Lebens, wir hatten das Lied um eine Strophe ergänzt, und es war der klarste, der hellste und vor allen Dingen wunderschönste Gesang, der sich dort langsam in ein ohnehin schon wahrhaft prächtiges Lied schob. Es war in uns. Egal, an welchen Orten der Welt wir waren. Egal, welche Probleme uns wirklich plagten. Und jetzt, so kurz vor Rückrundenstart, war klar, wir konnten diese Strophe vielleicht noch ein Stück weiterschreiben. Die Romantik! Die Schmerzen! Die Auflösungserscheinungen! Mündeten sie alle in die große Befreiung, in das allumfassende Thema Wachablösung?
So wie ich hin- und hersprang, so wie ich einen Gedanken dachte und eine andere Handlung ausführte, spürte ich es. Es würde so kommen, und DerSamstag! würde ein entscheidendes Wort zu dieser Strophe hinzufügen. Irgendwann, in einem noch in ferner Zukunft liegenden Moment. Ein Kommentar vielleicht? Oder doch eine Aktion? Und was zum Teufel hatte diese Maschine aus Marzahn damit zu tun? Vieles blieb unklar, und doch verzog sich der Nebel langsam. So sage ich, sangen die Shins. (Ende März würde ich sie im Kesselhaus sehen) Noch wenige Stunden bis zum wirklichen Ende der Winterpause. Ich konnte es nicht mehr abwarten, sah mir noch einmal die Highlights der Champions-League-Kampagne an, es waren nicht viele. Erst in der nächsten Saison, dachte ich, wird es neue Highlights geben. Noch 17 Spieltage.