Piotr lässt sich nicht blicken, ich habe mit ihm diesen Treffpunkt vereinbart. Doch auch weit nach Mitternacht hat er sein Handy ausgeschaltet, langsam schließt das Kinski. Ich schlender über den Boulevard zurück zur Mole. Nur noch ein paar Jugendliche halten sich hier auf, das Hotel hinter mir flackert, in der Bucht liegen ein paar Schiffe und am Ende der Bucht beleuchten die Lichter von Hel den unbekannten Teil der Nacht. Zu meiner rechten Seite zieht sich die Lichterkette bis zur Westerplatte. Es ist eine milde Nacht, das Meer liegt ruhig da.

Ich entledige mich meiner Sache, lasse sie knapp einen Kilometer südöstlich der Mole in einem Schifferboot und gehe eine Runde schwimmen. Das Wasser hat vielleicht 15° und spült die Erschöpfung der zweitägigen Reise fort. Was mache ich, frage ich mich weit nach Mitternacht. Was hat mich zu Piotr getrieben? Vor einigen Monaten hatte er sich in meinem Leben zurückgemeldet. Vor langer Zeit verbrachten wir einen Sommer in den Masuren und er, so schrieb er mir vor einigen Monaten, habe nun Anhaltspunkte, die mein Schicksal vielleicht verändern könnten. Es war Winter, ich pleite und nicht gewillt, die lange beschwerliche Reise auf mich zu nehmen. Was könnte mein Schicksal auch nur verändern, und wieso wollte ich das? Ich hatte mich längst gefügt. Doch meine Lage verbesserte sich, gerade nach der Sache mit der Meisterschale auf der Weihnachtsfeier. Reiser hatte endlich Vertrauen zu mir aufgebaut, und so mehr ich mir es überlegte, gab es für mich endlich ein Ziel.

Doch für dieses Ziel, das war mir klar, würde ich bereit sein müssen. Piotr wollte mir in all den Telefonaten nicht erzählen, in welche Richtung diese Anhaltspunkte mein Schicksal drehen könnten und doch hatte ich natürlich eine Ahnung. Er hatte sich lange nicht mehr gemeldet und war über meine desolate Lage mit Sicherheit nicht informiert. Es musste also etwas anderes sein, dass er mit meinem Schicksal verband. In der Sommerpause, so hatte ich mir immer gesagt, werde ich es probieren. Bis dahin gibt es zu viele Dinge zu erledigen, zu viele kleine, wenn auch manchmal nur die kleinsten, Fälle werden zu lösen, hatte ich gedacht und so war es dann auch gekommen. Doch spätestens die SMS von Reiser hatte mich kürzlich aufgescheut. In der Sommerpause würde ich mich nicht einspannen lassen und Piotrs Andeutungen waren verlockend. Verlockend und schmerzhaft. Doch im schlechtesten Fall würde sich nichts ändern, vielleicht aber würde ich meinen Frieden mit mir machen und es könnte alles noch ganz anders kommen. Die SMS von Reiser also hatte mich letztendlich in die genau entgegengesetzte Richtung getrieben. Anstatt der Balearen zog mich die SMS in die genau entgegengesetzte Richtung, erst in den Zug nach Berlin und über Angermünde und Stettin letztendlich in die Arme von Piotr. Doch von diesen Armen ist in der Nacht noch nichts zu sehen, ich trockne mich ab, schaue noch einmal auf mein Handy (keine Nachricht!) und lege mich neben das Fischerboot und vom Wind geschützt schlafen.