Dembowski, Dietfried. Frische 35 Jahre. Wohnhaft in Dortmund, Nordstadt, Erdgeschosswohnung. Neben Wentrauds Trinkhalle. Kennt viele Menschen, hat keine Freunde. Liebt Tony Joe White und Tim Hardin. Ermittelt. In Ermittlungssachen. Meist im Heimatrevier. War bei der Kripo. War mit Dörte zusammen. Ist in den Klauen des Boulevards. Will sich lösen. Ist Fan der Dortmunder Borussia. Hat sämtliche Titel begleitet. Hasst den Frühlingsbeginn.
Das sind die Fakten. An denen muss ich mich orientieren. Ich kann davor nicht weglaufen. In den letzten Jahren sind die Dinge nicht gut gelaufen. Habe mich durch die Tage, Wochen, Monate und eben Jahre geschleppt. See the shine in the Black Sheep Boy. If you love me, let me live in peace, please understand that the black sheep can wear the golden fleece and hold a winning hand. Für Tim hat es nicht gelangt, sein Leben war verpfuscht, so wie ich meins verpfuscht habe. Doch bleiben mir Möglichkeiten. Der Affe sitzt nicht auf meiner Schulter, ich muss meine Songrechte nicht veräußern. Ich besitze keine Songrechte. Ich besitze nur meine Menschenrechte.
Ich muss mich von den Fakten lösen und die Welt zu meinem Zuhause machen. Die Nordstadt ist nicht genug. Dembowski wird gebraucht. „Wir brauchen mehr Dembowskis“, ist dann auch eine beliebte Forderung in den Kriminalistenforen. „Er bringt uns weiter, er löst die gordischen Knoten der sozialen Unvernunft“, schreibt dort jemand. Ich, so schreibt der mir unbekannte Breton12 dort, sei der große Gleichmacher. Das will ich nicht abstreiten. Ob Nordmarktjunkie, Stadetänzer oder Hohensyburgzocker, alle suhlen sich im Dreck der eigenen Selbstverliebtheit. Egoismus rules OK. In diesen Tagen mehr als an allen anderen Tagen der Weltgeschichte. Die Vorteile will ich ihnen nehmen. Sie sollen zurück. Zurück zur Vernunft. „If I listened long enough to you, I’d find a way to believe that it’s all true. Knowing that you lied straight faced while I cried. Still I look to find a reason to believe.” Es sind diese Skizzen, die mich mit Hardin verbinden. Der Kampf gegen die Ungleichheit, gegen den Selbstbetrug. Der Kampf gegen die eigene Schockstarre, die den Körper seit Jahren befallen hat.
Der Anruf von Reiser kommt unvermittelt. Seine SMS konnte ich noch ignorieren. Aber wie soll ich mich gegen einen Anruf sträuben? Wie soll ich das Angebot ablehnen? Ich lege wieder auf, mit Mallorca verbindet mich nicht einmal die spanische Frühlingssonne. So wird die Welt nie mein Zuhause, denke ich. Ich verlasse die Erdgeschosswohnung, nehme den erstbesten Zug in Richtung Berlin. Eine Nacht im Soldiner Kiez, in Heikos Kamingeschäft. Übernächtigt. Zurück zum Bahnhof. Von dort mit dem 14.34 Uhr Regionalexpress über Angermünde in Richtung Stettin. Auf den Gleisen boten sie mir Sportzeitungen feil. Es waren Angebote, die ich nicht ablehnen konnte. In Slupsk sitze ich mit vier alten polnischen Frauen im Abteil. Sie verspeisen Eier und Würste. Ich öffne die Fenster, während Pommern an mir vorbeirauscht. Sie schließen das Fenster. Wejherowo, die Sonne geht hinter uns unter. Um 22.10 Uhr bin ich in Sopot. Ich mache mich sofort auf den Weg an die Mole. Drehe dann ab, entledige mich meiner Sache. Nehme ein Bad in der Ostsee. Piotr lässt auf sich warten, Ankunft 22.10 Uhr, hatte ich ihm geschrieben, doch Piotr nimmt es nicht so genau. Ich schlender zum Bahnhof zurück. Setze mich ins Kinski und warte. Auf Piotr. Endlich in Sopot. Die Dreistadt grüßt mich mit einem Lech. Was wird der Morgen bringen?