Als ich die Zeitung aufschlug, schüttelte ich ungläubig meinen Kopf. Schon wieder Fußball, schon wieder Borussia, schon wieder Bundesliga. War das nicht erst Samstag so gewesen und hatten wir davor nicht gegen Amsterdam und davor daheim gegen Fürth. Gab es denn überhaupt keine Pause mehr?
Erst, dachte ich an meinem Küchentisch sitzend, hauen sie einem diese unendlich lange Sommerpause rein und dann: Bam, Bam, Bam! Spiel auf Spiel. Keine Atempause, nur vom Hauch der Geschichte war an diesem zum wiederholten Male unfassbar tristen Novembertag wenig zu spüren. Es war nicht einmal sonderlich viel passiert. Die Fans arbeiteten weiter an ihrem Grab, zynisch kommentiert von den Vorstandsvorsitzenden dieser Liga. Irgendein tolles Unternehmen startete den Countdown für Samstag. Und bombardierte mich mit sinnlosen Anfragen wie „kann der Ermittler nicht einmal rausfinden, wer da ins Münchener Stadion eingebrochen ist?“. Ich schrieb nicht einmal „lasst mich in Ruhe“ zurück. Vor diesen Karren wollte ich mich nicht spannen lassen. Ich war kein verschissener Dienstleister für unsägliche virale Werbekampagnen.
Wie ich mich auch vor keinen anderen Karren spannen lassen wollte, aber das war eine andere Geschichte, die zu erzählen, wie so viele andere Geschichten ins Leere laufen würde. Gegen Mittag schaute ich im schwatzgelb-Forum vorbei. Ein herrlich amüsanter Thread über das Rechtsverständnis der Internetgeneration. Mein Scharnhorster Kumpel war natürlich mittendrin. Ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen, eigentlich seit der Geschichte mit dem Monument nicht mehr. Seltsame Zeiten, klangen aber gut in der Erinnerung. Ich überlegte, ob ich mich äußern sollte, aber der Scharnhorster hatte schon alles geschrieben.
Sein „Die Fakten liegen auf dem Tisch. Naja, soll sich jeder seine Meinung bilden“ war mittlerweile auch in meinen Sprachgebrauch übergegangen. Es war auch einfach unerheblich. Was jetzt zählte waren die drei Punkte gegen Düsseldorf und leider auch meine Anwesenheit bei Sölden. Musste ich unbedingt wieder vorbeischauen, irgendwann würde er zurückkehren und vielleicht gab es dann eine neue Aufgabe.
Oben im Himmel sah ich wie ein Flugzeug eine ganze Gänseherde zerschredderte und dann in Richtung Norden abdrehte. Triebwerkschaden. Und Gänseschaden. Es war November. Und ich wollte die Straße nicht betreten. Sölden, dachte ich, verschiebe ich auf morgen. Ich ging meine Plattensammlung durch. Irgendwo fand ich die Are You Experienced ,US-Version. „Purple haze all in my brain, lately things just don’t seem the same. Actin’ funny, but I don’t know why, excuse me while I kiss the sky”. So sollten Debütalben beginnen. Hendrix stand kurz vor seinem 70.Geburtstag, den er nie erleben würde. Ich dachte kurz an Maria und ihre Flyer. Auch sie war nicht mehr da. Und wer würde schon noch da sein, wenn alles erzählt war?
Es gibt keine Geschichte mehr, die ich erzählen kann. Es gibt keine Menschen mehr, die ich lieben kann. Mein gedanklicher Beitrag zur Themenwoche der ARD Rundfunkanstalten beschränkte sich auf Banalitäten und mein Blick richtete sich wieder auf Düsseldorf.
Bam, bam, bam! Jetzt noch einen raushauen und einfach die drei Punkte einfahren. Dann würde Schmelzer auch endlich seine Vertragsverlängerung verkünden. Ich lachte beim Gedanken an meinen Mini-Coup am Sonntag kurz auf. Da hatte ich testweise die Vertragsverlängerung verkündet, und ein paar wenige waren auf den Zug aufgesprungen. DerSamstag! war immer noch ein Leitmedium, obwohl die Existenz nicht einmal gesichert war.
„Die Krise“, hatte ich Redermann durchs Telefon diktiert „macht auch vor uns nicht halt. Ich muss mich von Dir trennen. Belegschaft verschlanken. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Naja, soll sicher jeder seine Meinung bilden.“ „Und jetzt?“ „Denk mal drüber nach“.
Ein weiterer leerer Tag ging dem Ende entgegen, Ägypten war schon nicht mehr das Topthema in den Nachrichten und Damaskus, dachte ich, Damaskus musste sich verdammt anstrengen. Überall ging es immer weiter. Bam, bam, bam! Und die 3 Punkte gegen Düsseldorf plante ich schon einmal ein. Es klingelte an der Tür. „Dembowski!“, schallte es durch die Gegensprechanlage. „Deine Anwesenheit ist erforderlich. Wir wollen ein paar Bier verhaften.“ Ich nahm die Ermittlungen auf. Für den nächsten Morgen hinterließ ich mir eine Notiz: Punktelieferanten kontaktieren