Jetzt würde mich Reiser nicht mehr in Ruhe lassen. Die Geister, die ich rief! Zwar war ich noch aus der Kneipe gekommen und hatte Reiser dort abgewimmelt, doch bereits am Morgen folgte die Ernüchterung. Es war nur ein Link und doch wußte ich, was jetzt kommt: “Die Meister-Flucht! Der Meister-Frust” Irgendwer hatte gemeckert und Reiser das sofort aufgegriffen. Er liebte diese Situationen. Es ging ihm nicht um die Spieler oder den Verein, es ging ihm um die Schlagzeile. Das hatte ich in der Meistersaison gelernt.

Ich klickte den Link. Natürlich! Kuba! Der große Melancholiker hatte sich vor der polnischen Presse verteidigt. Eine dumme Sache. Wie immer stand der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft unter Druck. “Kuba, wieso spielst Du nicht?” “Kuba, was ist in Dortmund los?” Der zu höheren Aufgaben berufene Blaszczykowski murmelte darauf etwas von “Benutzt. Nachdenken. Nicht unbedingt in Dortmund!” Das hatte ich auch vernommen und mich über diese unsinnige Aussage furchtbar aufgeregt. Der polnische Figo hatte nun wirklich jede sich ihm bietende Chance nicht genutzt und wußte nur in wenigen Spielen zu überzeugen. Nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt, um abstruse Forderungen zu stellen. Hatte er jetzt aber gemacht und das würde nun für ordentlich Wirbel sorgen, so viel war klar.

Wie sollte ich reagieren? Reiser würde handeln und er würde diesmal sogar einen guten Grund haben. Ich antwortete: “Übersetzungsfehler! Kuba ist traurig, das ist er aber immer. Halb so wild. Artikel zurücknehmen!” Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Sie kam per Telefon, das nach wenigen Minuten klingelte: “Na, haste schon gewartet?” “Nein!” “Idiot, klar haste!” “Und jetzt?” “Ich mach den fertig! Den braucht ohnehin niemand mehr. Morgen habe ich die Stimme von Kloppo” Verdammt, daran hatte ich nicht gedacht. Er würde die Sache anheizen, es würde ihm nicht schwer fallen. Denn niemand würde sich solche Aussagen bieten lassen. Schon gar nicht Klopp.

“And my scars make you clean, you’re duller than I’ll ever be / I spoke through the holes in my hands but you won’t even look at me / But I’m not feeling any less alone” Das war jetzt die Lösung. A Taste For Bitters, It Could Ruin Your Day. Hatte es ohnehin schon getan, und es war ja Noise Rock Woche. Raus zum Trainingsgelände, so viel war mir klar, und alle Angriffe abwehren. Aber erst einmal Netzschau jetzt, der größte aller Zeitdiebe war gestorben und die Beklauten übertrafen sich in Beileidskundgebungen, da traf es sich gut, dass ich auf der Konstrukteursklausurtagung nicht nur Kalkhoff, sondern auch ein paar der norwegischen Konstrukteure getroffen hatte. Ich schrieb eine Mail: “Vergebt das Ding doch einfach posthum.” Sie würde es schon richten. Für mich aber ging es um Schadensbegrenzung. Der ewige Melancholiker hatte sich auf die Klippe gestellt und nur Dembowski konnte ihn jetzt noch retten, doch wollte ich es überhaupt?