Im Oderbruch war alles klar. Die Lama-Farm hatte sich langsam in ein Winterwunderland verwandelt, die Planungen für die Festtage schritten voran. Es gab Martins-Gans, wir saßen auf der Veranda und Dörte sagt: „Du bist so glücklich jetzt.“ Und ich sagte: „Ich denke, ich habe es endlich gefunden. Ich denke, ich habe es endlich geschafft.“ Und sie kam zu mir und sie lächelte mich an und die Sachen, die wir sagten, brachten uns noch mehr zueinander.

Später skizzierte ich ihr meine Pläne. Ich erklärte ihr kurz, dass ich auf Piotr nichts mehr gab. „Der ist ein Wilder. Der hat den Verstand verloren“, sagte ich, gestand aber ein „der hat mich auf eine Idee gebracht.“ Sie blickte mich an. Hielt meine Hand. Blickte in meine Augen. Nahm ihre Hand zurück, legte sie auf mein Herz. „Das da, das schlägt so voller Leidenschaft, voller Hingabe, voller Gerechtigkeit. Du wirst es schaffen.“ Und wie ich es schaffen würde. Sölden und Bernadette waren auf der Liste ganz oben. Endlich wieder eine Aufgabe. Einschleichen in die Musikindustrie. Vielleicht würden sogar ein paar neue Platten für mich rausspringen. Darüber hinaus hatte die Schmelzer-Geschichte mich zurück ins Geschäft zurückgebracht. Sport + Musik. Das konnte ich jetzt verbinden.

Am Abend schauten wir uns den Tatort an. Ich konnte es immer noch nicht fassen, wie eine derart misslungene Kopie meiner Abenteuer es ins Fernsehprogramm geschafft hatte. Jetzt saßen sie sogar schon in Eckkneipen in der Nordstadt. Aber bis auf ein wenig eilig aus dem Lokalteil zusammengeschusterten Lokalkolorit war da nichts. „Diese Blonde“, sagte ich zu Dörte „müsste man endlich aus der Serie schießen. Und überhaupt: Was erlauben die sich? Mich hat niemand gefragt, ob sie mich derart überzeichnet darstellen dürfen. Das ist,“ ich holte tief Luft, stand auf, griff mir den Cricketschläger und schlug ein wenig in der Luft rum „eine verdammte Frechheit. Ich werde ein paar Anwälte auf diese Dilettanten hetzen. Muss meinen Ruf verteidigen.“ „Unseren Ruf! Mich haben sie ja vorher schon sterben lassen. Dabei war ich einfach eine Zeit nicht da. Der Schmerz. Dieser unendliche, von Pathos durchtränkte Schmerz. Wir haben ihn immerhin gefühlt.“ Ich küsste ihre Stirn.

„Ich muss wieder!“ Gegen 4.00 Uhr schlich ich mich aus dem Haus, spazierte am Schiffshebewerk vorbei in Richtung Eberswalde, nahm den ersten Zug zum Gesundbrunnen, war gegen 8 Uhr zurück in der Stadt. Die Wollank erwachte an diesem Montag wie immer sehr schnell. Grau in Grau, Mütze und Kappe, Blaumann und Anzug. Dort standen sie, dort rollten sie, dort bewegten sie sich in ihre Woche. Ich machte mir einen Kaffee, legte CCR auf, Fogerty auf der fatalen Suche nach einem Herzen aus Gold hing mal wieder in einem Kaff fest, aber was immer er auch sang, die Hoffnung schwang mit. Für mich war der nächste Stopp klar. Die Flugzeuge dröhnten über meinem Kopf, der Kaffee trieb mich an.

Ich blätterte durch die Zeitungen. Sicherheitsgipfelermächtigungsgesetze, Wechselspiele, gekränkte Egos, großspurige Ankündigungen und noch mehr Absagen für Jogi. Es änderte sich nichts. Im November nahm die Liga Fahrt auf. Ich würde mich auf Lewandowski konzentrieren. Redermann die Drecksarbeit erledigen. Borussia war längst wieder in der Spur, und plante in aller Ruhe für die Zukunft. Da konnten Berater nichts dran ändern. Es war gut, Borussia-Fan zu sein. Als Konstante. In einem unruhigen Leben. Was immer auch der schmierige Reiser machen würde, er hatte, das konnte man in den letzten Tagen sehe, ohnehin den Anschluß verloren, würde sich dann gegen Ende wieder einmischen. Bis dahin war es an uns die Deutungshoheit zurückzugewinnen. Es würde uns gelingen, dessen war ich mir sicher.

Ich griff zum Hörer. „Sölden!“ meldete sich eine Stimme am anderen Ende.