Piotr fuhr und fuhr und irgenwann setzten wir mit der Fähre über. „Dembowski, wir sind umgezogen. In den Masuren ging nichts mehr. Wir wollten einfach auch näher an all den folgeschweren Diskussionen in den Medien. Du musst bedenken, dass es kein letztes Jahr mehr gibt. Die Zeiten, Dietfried, haben sich geändert“, erklärte er mir. Wir saßen in einer Bar am Swinemünder Hafen, tranken Tatra und blickten über die Angler, die schon seit den Morgenstunden ihre Angel in das trübe Wasser der Swine. Die Nacht hatten wir in einer Absteige an der Promenade verbracht, waren sogar nüchtern geblieben. Oder in meinem Fall einfach nichts mehr getrunken.
Bereits gegen 6 Uhr war ich aufgestanden, und hatte mich über die Dünen geschlichen. Ich hatte am Strand gestanden, zur linken Seite die Kaiserbäder gesehen und rechter Hand über die sich an den Klippen brechenden Platten Misdroys. Was immer Piotr mit mir vor hatte, er hatte dafür einen verdammt guten Ort gewählt. Ich würde jetzt ein paar Tage auf Fußball verzichten und war darüber verdammt froh. Die absurden Diskussionen um Hertha, Pyro & Co hatte meine letzten Hoffnungen zerstört. Das würde keine normale Sommerpause werden und auf Reaktion und Gegenreaktion und wieder Reaktion und Gegenreaktion, auf diese endlose Schleife der Hysterie, in der jeder meinte, die Deutungshoheit zu haben und sich die Fronten immer mehr verhärteten, hatte ich überhaupt kein Interesse mehr. Es war die Hölle, der ich gerade noch entflohen war und egal, was Piotr jetzt plante, hatte ich gedacht, es würde eine Befreiung sein.
So waren wir dann eben irgendwann in der Bar am Ufer gelandet und tauschten alte Geschichten aus. Wir erinnerten uns an unser erstes Aufeinandertreffen und stellten erstaunt fest, wie sehr das Leben seinen Plan für uns geändert hatte. Und doch waren es diese Stunden, die mir die größtmögliche Entspannung verschafften. Es hang, anders als noch im vergangenen Sommer, keine Wehmut über unseren Gesprächen. Der Nebel hatte sich verzogen und wir standen vor großen Aufgaben. „Bleib einfach ein paar Tage hier“, sagte Piotr zum Abschied. „Ich hole Dich am Dienstag ab und dann legen wir los. Unsere Vergangenheit ist noch immer deren Zukunft und unsere Gegenwart. Das, Dietfried, dürfen wir nie vergessen. Wir haben alles schon einmal durchlebt. Das macht uns zu den Konstrukteuren! Das kann uns keiner nehmen!“