„Wo ist Piotr?“ Stille. Finger, die über Tastaturen flogen. „Wo ist Piotr? Jetzt sag mal, Tomasz!“ „Unterwegs. Was erledigen“, grummelte der Pole in seinen Bart. „Was erledigen?“ „Komm mal her. Ich zeig es Dir. Auch wenn Du den Piszczek-Text, aber der hat Zeit…“ Ich trat an den Computer. Tomasz surfte auf vier Monitoren durchs Netz. Er durchforstete alle Meldungen zur Borussia. Ein paar davon waren geöffnet. Auf eine davon zeigte Tomasz jetzt. „Siehst Du? Reiser, die alte Spürnase ist da an was dran!“ Ich überflog die Meldung. Ein paar Tage hatte ich jetzt bereits überhaupt nichts mehr mitbekommen. Santana hatte in der Zwischenzeit seinen Vertrag verlängert, Langerak und Owomoyela auch. Aber Reiser zweifelte weiterhin an der Zukunft des Ballspielvereins.
„Zwei heiße Fragen im Pott: Bleibt Santana nur, weil Hummels geht“ ,war dort zu lesen. Eine abwegige Vorstellung und überhaupt auch nur eine Frage. Reiser hatte sicher wieder gesoffen. Doch so war es nicht. Überhaupt nicht. Tomasz erklärte mir kurz, was passiert war. Piotr war zum Spiel der Nationalmannschaft nach Leipzig gereist und hatte sich dort unter falscher Flagge mit Reiser getroffen. Erst hatte er von einem Typen erzählt, der sich für einen Ermittler hielt und ihm wohl mächtig zu schaffen machte. „Der war uns ein paar Schritte voraus. Der muss fantastische Quellen haben“, hatte er Piotr erklärt und Piotr war direkt drauf eingestiegen und hatte sich als genau diese Quelle geoutet. Wie er das getan hatte, wie er überhaupt den Kontak zu Reiser hergestellt hatte, das wollte Tomasz mir noch nicht verraten. „Alles hat seine Zeit, Dembowski. Und solange Du nicht die neunte Ebene erreicht hast, ist diese Zeit für Dich noch nicht angebrochen!“
Wann welche Zeit für mich angebrochen sein wird, war mir in diesem Moment herzlich egal. Tomasz breitete die Geschichte jetzt in allen Einzelheiten vor mir aus. Sie war sensationell. Sie schloss direkt an den Kagawa-Transfer an, der bereits seit Ende April (DerSamstag! berichtete) in trockenen Tüchern war, und beinhaltete sogar Hummels Vater, der, so erklärte mir Tomasz, bereits seit Jahren von den Konstrukteuren bezahlt wurde, und erst vor wenigen Tagen aus dem Trainerstab der Bayern entfernt worden war. „So lange konnten wir einen Informanten selten verdeckt halten. Die Bayern waren irgendwann einfach sauer. Nachweisen konnten sie ihm nichts!“, bemerkte Tomasz beiläufig. Ich war wieder erstaunt. Diese Macht der Konstrukteure. Das alles hatte ich komplett vergessen, meine Erfolge als selbstverständlich hingenommen. In Wahrheit aber stand ein kompliziertes Konstrukteure-Netzwerk hinter mir. DerSamstag! war da nur eine kleine Zelle, die vorgeblich unabhängig agierte, doch am Ende des Tages unmittelbar von den Konstrukeuren abhängig war. Wie scheinbar auch Reiser.
Der angebissen hatte. Er hatte Piotr geglaubt. Piotr aber hatte sich dann direkt im Anschluß mit dem bei der Nationalmannschaft beschäftigungslosen Hummels getroffen. Mats hatte durchklingen lassen, dass einer Vertragsverlängerung nichts mehr im Wege stünde. „Lass Reiser noch ein wenig zappeln“, hatte Piotr ihn gebeten, Hummels war dieser Bitte natürlich gerne nachgekommen. Der Verteidiger hatte nicht vergessen, was DerSamstag! für ihn getan hatte. Das Internetverbot war der entscheidende Baustein für den Doublegewinn, hatte er Piotr erklärt. Dieser habe dann sofort Tomasz informiert, erklärte mir Tomasz. „Da wollte ich Dich ein wenig zappeln lassen. Die Piszczek-Geschichte kam gut. Was ist in Mainz wirklich passiert, Dembowski? Sag es! Haha! Du hättest Dein Gesicht sehen sollen. Saubere, verdammt präzise Arbeit, Dembo!“
Kurzentschlossen machte ich mich, nach Absprache mit Tomasz, an einen Kommentar. Meinem ersten aus Swinemünde, dem Konstrukteure-EM-Camp, wie Tomasz mir noch stolz erklärte. Das schrieb ich:
Hummels hält es mit D.O.A. – Reiser abserviert
(swinemünde / 03.06.2012) Er hielt sich an den alten D.O.A.-Slogan: Talk minus action equals zero. Was Hummels seit Monaten in Interviews angedeutet hatte, ist seit heute Gewissheit. Der beste Innenverteidiger Europas verlängert seinen Vertrag bis 2017. Dortmund lacht und der Rest von Europa trauert. Er hätte bei fast jedem Verein Europas unterschreiben können, erklärt Meistertrainer Klopp und doch hat er sich für Dortmund entschieden. Szenejournalist Reiser war auf der falschen Fährte. Wieder einmal setzte Deutschlands beliebteste Boulevardblatt auf das falsche Pferd. Der Vertrag, so berichten Insider, lag bereits seit Wochen in der Schublade. Nach den United-Gerüchten und Löws hinterhältigen Worten sei es jetzt an der Zeit gewesen, hört man. Der Leader Of The Pack bleibt bis 2017. Die Wachablösung erreicht eine neue Stufe. Und der Boulevard hat das Nachsehen. Borussia auf dem Weg zur treibenden Kraft. Aber: Talk minus action equals zero. Auch in der nächsten Saison! (dembowski / DerSamstag!)