Als Dembowski aus dem Fenster blickte, war er froh. Er war geblieben und der Gedanke an einen weiteren Ausflug nach Kreuzberg erfüllte sein Herz mit Vorfreude. 

Natürlich überraschte es mich, wie leicht sich Frank Berg um den Finger wickeln ließ. Er hatte um ein Treffen gebeten und natürlich hatte ich es ihm gewährt. Die Kohle war langsam knapp geworden und der Umschlag würde mich zumindest über den Monat retten.

Lange hatte ich überlegt, was ich ihm an Fakten präsentieren könnte. Es fiel mir schlichtweg nichts ein. Mein Mann beim größten Nachrichtenmagazin war schon länger untergetaucht und so fiel es mir schwer, über die neuesten Facebook-Verwicklungen des Dortmunder Fanbetreuers zu berichten. Ohnehin fragte ich mich, wonach die Jungs überhaupt suchten. Solange es meine Zeche zahlte aber, war es mir einigermaßen egal.

So trat ich in das Café an der Wollankstraße, schnippte vorher noch meine Kippe zur Seite, holte ein paar eilends zusammengestellte Unterlagen hervor und präsentierte sie Frank, der in Anzug und Sneakers gekleidet mal wieder seine Verkleidung gewechselt hatte. Das musste man ihm lassen. Während ich zur Theke schritt, noch die wütende Stimme Bergs hörte, überlegte ich, woher dieser Junge überhaupt stammte und was ihn dazu getrieben hatte. Er wirkte wie der typische Emporkömmling. Seine Stimme hatte einen westfälischen Einschlag, aber das konnte alles und auch nichts bedeuten. Der wollte sicher schon immer was mit Informanten machen, dachte ich an der Theke stehend und fragte mich, ob und was man dafür überhaupt studieren musste.

Noch einmal blickte ich auf Berg, der sich immer wieder durch die Haare fuhr mit dem Kopf schüttelte, auf die Wollankstraße blickte, verzweifelte. Die Unterlagen waren wohl nichts für ihn. Dabei hatte ich mir äußerste Mühe gegeben. Die Unterlagen enthielten ein paar Fakten zum bevorstehenden Lewandowski-Deal. Irgendwas, hatte ich gedacht, muss ich ihm an die Hand geben. Und um die Sache abzurunden, hatte ich noch Auszüge aus dem Fruchtschnecken-Skandal rund um einen Kiosk in der Dortmunder Nordstadt beigeheftet. „Information dazu? Redermann könnte liefern!“, hatte ich mit einem Post-It an den Rand des Artikels aus den Dortmunder Ruhr Nachrichten geheftet.

Doch Berg wiederholte immer wieder seine paar Sätze. „Das ist nicht von Bedeutung“, sagte er mal leise und zu sich, bald laut in den Raum schreiend. Mit meinem Bier stand ich direkt hinter ihm und wunderte mich, mit wie wenig er sich doch zufrieden gab. Der Umschlag war prallgefüllt, Berg rauschte ab und ich hatte die Taschen wieder voll.

Eigentlich, dachte ich, habe ich es nicht so schlecht getroffen. Für ein paar wirklich absurde Informationen einen Umschlag voller Geld zu erhalten, das gelang nicht jedem. Natürlich würde ich irgendwann liefern müssen, aber bis dahin würde wohl noch einiges an Wasser die Panke hinunterfließen. Überhaupt die Panke. Wie sah die jetzt aus? Der Schnee taute, im Rückhaltebecken war zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein wenig Wasser, der Weg entlang der Panke war aber unbegehbar. Ich zog mich in die Wohnung zurück.

Den nächsten Tag verbrachte ich mit ziellosem Surfen im Netz. Nichts interessierte mich wirklich, das Ende der Transferphase machte die Fußballnachrichten zum Großteil unerträglich. Wolfsburg gelang es in der gesamten Transferperiode nicht, nur einen Spieler komplett von der Gehaltsliste zu streichen. Natürlich war der Kader kleiner geworden, aber sie würden alle zurückkommen. Und den Kader wieder vergrößern. Andreas Müller war weiter im Kaufrausch, verpflichtete jetzt ein paar Bankspieler aus der Bundesliga und steuerte gnadenlos auf den großen Crash zu. Die vereinseigene Homepage pflegte das Böhse Onkelz-Image der Sinsheimer. Wir gegen die. Bist Du nicht für uns, bist Du gegen uns. Man wollte ihnen ein fröhliches „Weiter so!“ zurufen, aber das hatten sie aus purer Verzweiflung längst schon aus eigenem Antrieb getan.

Beim Durchforsten meiner Plattensammlung stieß ich auf die Further Listening von Unwound. Den Rest des Tages verbrachte ich mit der Platte. Drehte sie laut auf, ließ die Frühlingsluft herein und erinnerte mich beim Blick aus dem Fenster daran, wie ich noch vor wenigen Tagen beinahe aus dem Fenster gestürzt war, weil ich es wollte, weil es nicht anders ging. Ich war froh, dass ich geblieben war.