Er hat ihn gesehen. Im Feindesland. Ist ihm jetzt auf der Spur. Und meldet sich seitdem einfach nicht mehr. Während ich also die Ermittlungen einstellte und nicht einmal in Ruhe den großen Erfolg des alten Australiers sehen konnte, da ich durch die Wetterwirren derart durcheinander gebracht nur noch in schweißgebadeten Träumen dämmerte, hatte sich Redermann zu seinem ersten Solo-Ritt in die verbotene Stadt aufgemacht. Doch bis auf eine kurze Notiz: “Reiser bereit Probleme. Ich bleibe dran” habe ich seitdem nichts mehr von ihm gehört.
Wir schreiben Montag, den 25.07.2011 und natürlich habe ich immer noch keine Nachricht von Redermann. Kleppo hat sich auch nicht gefangen. Er steht seit Samstag, 22.30 Uhr vor meiner Tür und schreit: “Auto-Corso, Auto-Corso. Hey Hey.” Ich kann ihm nicht böse sein, irgendwann muss ihn auch mal einer abholen. Aber ich gehe davon aus, dass dies nie passieren und er somit einfach nicht mehr aus der Nordstadt rauskommen wird. Im Gegensatz zu Redermann und mir. Wenn Redermann noch einmal auftaucht, das ist!
Die letzte Woche vor Saisonbeginn. Das Pokalspiel in Sandhausen steht an und, da rede ich ja nicht mit der Wand, der Pokal hat seine eigenen Gesetze, die so gut wie gar nichts mit den Gesetzen der Liga und dem Alltag in der Nordstadt zu tun haben. Aus der Nähe von Iquitos hatten mich in der Nacht erschütternde Nachrichten erreicht. Super Lucas, so berichtete der Südamerikakonstrukteur, habe sich verletzt. Erst nicht gespielt, dann verletzt. Ich fragte noch wo, doch er antwortete nur: Sport 1. Ich bin raus, dachte ich mir. Ich bin einfach dermaßen raus aus dem Geschäft, ich kann nicht einmal einordnen, was er mit Sport 1 meint. Doch schnell stellte sich raus. Es war die Copa, bei der der Argentinier vom chilenischen Verein für Paraguay spielte. Was es nicht alles gibt, antwortete ich Hugo, der für die Konstrukteure gerade das Hauptquartier zu Iquitos leitete. Und Hugo schüttelte über Skype seinen Kopf. “Fan, Fan, Fan. Du willst irgendwie Fan sein? Du bist ein Nichts, Du bist ein Niemand. Wo warst Du 68 und wo beim Mauerfall?” fragte er mich. Die Verbindung brach ab.
Gunter Gabriel in Iquitos? Was machte er da und wieso nannte er sich jetzt Hugo? Und wieso hatte er sein Hausboot gegen ein Unterwasseraquarium eingetauscht? Wieso war er Konstrukteur und was hatte die Verletztung von Super Lucas mit all dem zu tun? Ich war überfragt, legte die “Random Harvest” von den Friends Of Dean Martinez auf und wähnte mich zumindest für einen Moment zurück in Tuscon, Arizona. Hitzeflirrren, Tumbleweed, Wüste. Die Pedal Steel! Fieberträumend fiel ich in den Schlaf.
Aber wo ist Redermann? An diesem frühen Montag am Ende eines kalten Monats? Hatte er sich abgesetzt? War er einem dicken Hund auf der Spur oder lockte ewig die Männersauna? Bei Redermann habe ich keine Ahnung, muss ich feststellen. Alles mag zutreffen und alles mag nur eine Einbildung sein. Ich ziehe die Jalousien hoch. Die Sonne scheint, leben ist einfach!