Fußball, Fußball, Fußball! Irgendwann hängt es sogar dem größten Fan zum Hals raus. Gerade wenn der eigentliche Sport einfach in den Hintergrund rückt. So war es in den letzten Wochen immer wieder geschehen, in sportlicher Hinsicht gab es kaum noch etwas. Wenn man nicht Borusse war, das aber war ich. Natürlich vermengte sich die allgemeine Hysterie mit der Kritik an dem Feuerwerk der Dortmunder Fans, die „bis zu 30 Bengalos“ gleichzeitig abbrannten und vom DFB-Stadionsprecher auf das Feuerwerk auf dem Platz hingewiesen wurden. Da gehöre es hin, hatte er mantraartig wiederholt, und doch war es mir an diesem Abend lieb und recht ein wenig hinter den Pyros zu stehen. Hatte die Stadionregie die Möglichkeit uns mit ihrem Soundmix zu beschallen, so hatten die unten im Block stehenden Fans am Samstag eine andere Möglichkeit gefunden, den Abend perfekt zu untermalen. Und ich hatte keine Angst, und ich war nicht als Befürworter bekannt.

Aber immer wieder: Fußball, Fußball, Fußball. Ich war froh, dass die Sommerpause langsam eingesetzt hatte. Natürlich konnte man sich nun in den kommenden Wochen an den Transferspekulationen beteiligen, den Abgang von Kagawa beweinen, Lewandowski immer wieder falsches Spiel vorwerfen und so eigentlich auch alles dafür tun, dass die Welt sich zwar weiter drehte, aber immer noch zu kritisieren war. Nur Narren aber würden glauben, diese Mannschaft auf Ewigkeit gemeinsam in unseren Farben zu sehen. Das Spiel namens Fußball hatte die Eigenschaft, dass Mannschaften sich nicht ewig an der Spitze halten, dass Substanz sich auch nicht unbedingt über das Verbleiben einer kompletten Mannschaft definierte. Wie wir den Verlust von Sahin aufgefangen hatten, so würden wir den Verlust von Kagawa und meinetwegen auch Lewandowski, obwohl ich diese Gerüchte für famosen Quatsch hielt, auffangen. Nicht in jedem Jahr aber würden wir die Spitze der Liga halten. Das zu glauben, war schlichtweg vermessen und arrogant. Wir konnten den Weg der 90er beschreiten, der geradewegs auf eine Klippe führte oder wir konnten uns einen neuen Pfad schlagen. Der würde vielleicht beschwerlicher werden, der aber würde vielleicht zu einem anderen Ziel führen. Ich hatte keine Sorgen. Manchmal dachte ich dann doch über ein Scheitern nach, doch immer wieder war der Endpunkt dieser Überlegungen: In den vergangenen beiden Spielzeiten hatten wir an einer großen Sache teilgehabt. Und wir hatten uns dafür nicht verschuldet. Wir waren aus dem Nichts gekommen und wir waren an der Spitze angekommen. Besser ging es ohnehin nicht mehr.

Das Kunstprodukt Champions League hatten wir geflissentlich ignoriert. Das schmierten uns die paar Neider aufs Brot. Aber was hatte der Verein uns dafür sonst noch gegeben. Christian Streich, der Freiburger Coach, der die Pokalnacht nur wenige Plätze neben mir verbracht hatte, hatte die richtige Frage gestellt: „Wie fühlt sich das an, wenn man nie wieder verliert?“ „Unwirklich!“, hätte ich antworten können, aber die Plexiglasscheibe verhinderte meine verzögerte Antwort. Somit hatte ich auf Belästigungen verzichtet und am nächsten Tag der durch den Tiergarten radelnden Freiburger A-Jugend applaudiert. So fühlte es sich an. Gönnerhaft. Absurd. Bedachte ich den Weg, den wir gekommen waren.

Also immer wieder: Fußball, Fußball, Fußball! Ich fuhr mit dem Rad Unter den Linden runter. Die Straße hatte alle Linden verloren. Hier baute man die U-Bahn, die irgendwann im Berliner Tempo auch fertiggestellt werden würde. Doch nicht in naher Zukunft. In Richtung Brandenburger Tor hatten sich die Scharfschützen positioniert. Karsai nächtigte im Adlon, die Scharfschützen zielten direkt in Richtung der auf das Adlon zukommenden Busse, Autos und Fahrräder. Nicht schlecht, aber auch nicht für mich, dachte ich und verzog mich schnell in Richtung Hauptbahnhof. Dort blieb ich. Ruhig. Mit Blick auf die Stadt. Mit der Erinnerung an den Pokalsieg. Wie fühlt sich das an, wenn es einem so richtig gut geht, fragte ich mich und horchte in mich hinein. So fühlte sich das also an. Der Druck fiel langsam von mir ab. Ich bereitete mich auf die Abenteuer der Sommerpause vor. Und hatte ein verdammt gutes Gefühl! Der Ermittler im ausbleibenden Frühling von 2012 hatte für lange Zeit vieles richtig gemacht und war auf dem besten Weg, in diesem Jahr endlich mal wieder einen Preis abzuräumen.