Langsam wieder eingrooven. Ich gehe meine Mails durch, höre mein AB ab. Die üblichen „Dembowski, kannste nichtmal hinter meiner Frau hinterherlaufen“-Mails und die „Wo bist Du eigentlich, Dietfried?“-Anrufe auf dem AB. Sommerloch. Ein paar Leute wollen Geld von mir, sollen sie haben, ich überweise, das was da ist an die diversen Blutsauger, die mir das Leben in der Erdgeschosswohnung ermöglichen. So schlecht war es im Unterwasseraquarium nicht, denke ich und schlender zum Plattenregal. Phil Ochs lacht mich an. Ich lege There But For Fortune auf und lasse die Nadel gleich bei When I’m Gone niedergehen. Endlich mal wieder ein Runterbringer, ein echter Runterbringer. Das Rollo ist unten, die Kerzen brennen.
„And I won’t be running from the rain when I’m gone / And I can’t even suffer from the pain when I’m gone / Can’t say who’s to praise and who’s to blame when I’m gone / So I guess I’ll have to do it while I’m here”. Die traurigen Künstler sterben immer zuerst. Nachdem sie ihren Schmerz in die Welt gelassen haben, ist jeder Lebensmut weg. Sie greifen zur Flasche, denke ich während ich mir eine Ernte anzünde, sie dröhnen sich mit Schmerzmitteln zu und enden am Ende doch an ihrem selbstgedrehten Strick. Sie haben keine Chance, denke ich. Sie wissen von ihrer Chancenlosigkeit und hinterlassen uns Werke von quälender Schönheit. Ihre letzten Werke sind immer die qualvollsten, ohne eine Drink, denke ich, lässt sich das Werk nicht ertragen. Ich schütte mir ein Whiskey ein und lasse die Nadel zurückspringen.
„There’s no place in this world where I’ll belong when I’m gone / And I won’t know the right from the wrong when I’m gone / And you won’t find me singin’ on this song when I’m gone /So I guess I’ll have to do it while I’m here”. Ich sitze auf der Erde, habe Kopfhörer auf und kann nicht von der Erinnerung lassen. Die Erinnerung, denke ich, mehr haben wir nicht, und wenn wir gehen, haben wir nicht einmal mehr die Erinnerung. Wir leben und arbeiten und lieben und leben und arbeiten und lieben und am Ende bleibt uns immer nur die Erinnerung. All die Dinge, die wir getan haben, werden wir nie mehr tun können. Sie brennen sich für immer in uns ein und verändern uns. Nicht wir verändern die Erinnerung, denke ich, nicht wir verändern die Zukunft, denke ich und nicht wir machen die Gegenwart. Wir treiben ohne Ziel und wenn wir gehen, gehen wir. Für immer. Nirgendwohin. Weg. Verschwinden heißt, nicht mehr hier sein. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Denke ich. So steht es geschrieben und so wird es getan. So geschieht es seitdem sich die Erde dreht, und wenn die Erde sich nicht mehr dreht, schicken wir ein bemanntes Raumschiff zum Kern der Erde. Mit Atombomben haben sich noch alle Probleme lösen lassen. Die Erdrotation, denke ich, hält uns überhaupt am Leben. Aber wofür? Ist es nicht manchmal, ja eigentlich immer, sinn- und aussichtslos. Wir werden geboren und leben von da an auf den erlösenden Moment hin, wir sammeln Erinnerung und geben sie weiter. Aber wofür? Wer braucht diese Erinnerungen. Ich nicht, denke ich und schütte noch ein wenig Whiskey ins Glas.
Was ich noch zu denken hätte, dauert eine Zigarettenfabrik und irgendwann gibt es die nächste Frage, den nächsten Gedanken nicht mehr. Ende. Aus. Auf Wiedersehen, Peter Falk.