Wir hatten keine andere Wahl und lasen die Berichte aus Berlin. 

EM – Tag IKohlenquelle, Kopenhagener Straße, Prenzlauer Berg, Berlin Gruppe A: Russland gegen Tschechien
In dem kleinen Verschlag gegenüber der Kohlenquelle hängt der Beamer schräg. Im Sand vor der Leinwand toben Kinder. Die Bierbanksitzreihen sind einer Ryan-Air-Flugzeugbestuhlung nachempfunden. An der Theke steht genau eine Person vor mir. Es dauert zehn Minuten. Als ich wieder sitze, entspinnt sich ein Dialog zwischen meinen beiden Sitznachbarn. Natürlich geht es um Fußball. Also zumindest am Anfang.

“Dieser Torwart der Tschechen, der hatte eine Schädelbasisbruch. Deswegen trägt er diesen Schutz. Der ist mal gegen den Pfosten geflogen.”
“Oh. Das ist sicher schmerzhaft!”
Bis zur Halbzeit schaffe ich es irgendwie, die Tonlage meiner Sitznachbarn auszublenden.
“Wenn Du diese 11 Freunde mal wieder hast, kannst Du mir die geben. Ich habe davon schon gehört, aber gesehen habe ich sie noch nie.”
“Ich bekomme die immer von Carlos, gebe die dann an Isabelle weiter”
“Ah. Das ist gut. Kann ich dann auch mal Silvia geben. Der versuche ich schon die ganze Zeit zu erklären, wie gut Barcelona, wie gut Messi ist. Aber die interessiert sich noch für Tennis”
Es gelingt mir, eingequetscht auf das Spiel zu schauen, meine Nachbarn zu ignorieren. Dann wechseln sie wieder in diese Tonlage, die ich einfach nicht ausschalten kann. Jetzt dreht sich das Gespräch um die völkerrechtliche Bedeutung von Drohneneinsätzen.

“Sag mal, wie ist denn jetzt Deine Meinung zu den Drohneneinsätzen. Ich meine, Du musstest da doch diesen Artikel schreiben”
“Da habe ich mich drübergestellt!”
“Machen doch alle Journalisten!”
“Es ist nicht an mir, ein Urteil zu fällen. Das Völkerrecht hat nun auch keine demokratische Grundlage!”
So geht es hin und her. Bis ein Ball weit über das tschechische Tor fliegt.

“Hätte ich Dir vorher sagen können, der ist kein Linksfuß”