Zeit wird nichts erzählen, säuselte mir die Knef ins Ohr, gerade in dem Moment, in dem ich endlich Zeit gefunden hatte, mich näher mit dem Transfergeschehen zu beschäftigen. Seit Tagen registrierte ich die sich wiederholenden Schreckensmeldungen aus Spanien. Erst zog sich Subotic eine Muskelverletzung zu, dann amüsierte Santana mit einer Nasenverletzung. Die von Tele in den sozialen Netzwerken gestreuten Bilder erinnerten mich an Kneipenschlägereien.

Auch sein unbändiger Optimismus erinnerte an das verkaterte Aufwachen nach einer zünftigen Schlägerei. Überall Blut, die Nase schmerzt, fühlt sich irgendwie unwirklich an, aber es muss ja weitergehen. Gerade jetzt bleibt keine Zeit zum Luftholen. Gerade jetzt hat man doch die Chance , gerade heute ist das Vorstellungsgespräch, das für die Zukunft endlich Sonne verspricht. Da ignoriert man doch so eine Lappalie. Eine verrutschte Brille, aufgerissene Hosen, gebrochene Nase, blutüberströmte Hemden – das alles zählt an einem verkaterten Morgen nach einer Schlägerei nicht.

Und so blickte ich auf Santana und erinnerte mich an Jasmin, die ich neulich vor dem Krankenhaus in der Drontheimer getroffen hatte „Ich hab durchgemacht, seit Silvester. Kein Plan, was da passiert ist. Hoffentlich habe ich mich nicht geprügelt.“ Dazu sollte man sich Jasmin vor Augen führen. Sie chillt,wie sie es ausdrückt, gerne im Oldie-Eck und bleibt dann „Griechischer Wein“ singend gerne auch bis zur letzten Runde. Sie hat kurze Haare, wirkt in ihrem Hosenanzug meist sehr gepflegt, trägt eine unscheinbare Brille, ist recht zierlich, aber ihre Nase beweist: Sie lässt sich von ihrer Zierlichkeit nicht einschüchtern. „Schon gar nicht, wenn ich mir richtig einen reingestellt habe“, sagt sie immer.

Sagte sie so auch vor der Krankenhaustür stehend. Sie fingerte gerade in ihrem Tabakbeutel rum, versuchte sich eine Kippe zu drehen, blickte mich aus verwirrten Augen und sagte: „Dembowski!“ Danach eben die Geschichte vom Durchmachen. Als ich vorschlug, mich einmal bei der Polizei nach einer möglichen Schlägerei zu erkundigen, wiegelte sie ab: „Bin sicher nur gestürzt und wenn nicht, lande ich vielleicht in einem Schornstein. Kann aber gut sein. Aber lass mal, Dembowski, lass mal. Kann gut sein. Kann wirklich gut sein. Obwohl das nicht meine Art ist.“ Ich hatte sie mit ihren Zweifeln allein gelassen, würde schon wieder auftauchen.

Daran erinnerte ich mich, wieso auch immer, beim Anblick der Bilder Santanas. Auch das würde wieder werden. Natürlich wurden die Rufe nach Verstärkungen lauter, kurz überlegte ich, ob meine Leser einmal an den Baby-Sturm des Jahres 1995 erinnert werden musste. Ibrahim Tanko und Lars Ricken hatten uns damals zur Meisterschaft geschossen. Oder diese zumindest nicht verhindert. Those were the days, my friends. Endeten dann recht schnell. Unter den klobigen Händen des italienischen Bauerns.

Doch wollte ich nicht zurückschauen. Ich nahm mir noch ein Kindl aus dem Kühlschrank, notierte: „Kronen kaufen!“ und setzte mich an meinen Kommentar.

Nach Santana-Aus: BVB-Schockstarre!
(berlin/11.01.2013) Verletzungs-Schock für Borussia. Subotic, Santana. Wer ist der nächste? Der Verein ist in Schockstarre. Manager Zorc beschuldigt das Internet, Klopp schenkt Meisterschaft ab! Dortmund nur noch verrückt? Kann es Koray? Die Frage, die alle Dortmunder bewegt. Doch es gibt keine Antwort. Und was sagt Nuri? Laut Informationen dieser Zeitung nichts. Berater Reza Fazeli verzichtet vielsagend auf eine Erklärung. Verspielt Dortmund die Champions League. Sie waren der Titelfavorit. Nach den Ausfällen von Santana und Subotic muss Zorc handeln. „Sie machen einfach nichts,“ sagt ein frustrierter Insider. Sie wollen 39 Millionen für Lewandowski. Dortmund nur noch irre? (DerSamstag!/dembowski)

Ich stand auf, zog die Vorhänge zu. Draußen schien die Sonne. Ich konnte ihren Anblick nicht ertragen, und nahm mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank. Es war 08:30 Uhr am 11.01.2013 . Für mich war das Jahr noch lange nicht gelaufen.