Auf der Montagsdemo am Dienstag konnte Dembowski mit seinen Computerschuhem beeindrucken. Es war klar: Borussia würde gewinnen

Die Rückkehr in die Realität war durchaus gelungen. Meinen Tag vertrödelte ich mit dem Besuch der ewigen Montagsdemo, die in den letzten Wochen in einem Kombi über die Schloßstraße in Steglitz zog. Sie bewegten sich von Shopping Center zu Shopping Center. Am Dienstag hatten sie das untere Ende der Schloßstraße erreicht. Mit Kaffee und Stullen eingedeckt beobachtete ich die heute auf jung getrimmte Veranstaltung. Ich saß am Brunnenrand, blickte auf die herumlungernden Schüler. Sie trugen Baseballkappen, I love London Pullover, rauchten in ihrer hohlen Hand versteckte Zigaretten und kamen hin und wieder in meine Richtung.

Dann zeigten sie unhöflich mit ihren Fingern auf mich und immer wieder vernahm ich die Worte „Jesus“. Hin und wieder stand ich auf, richtete meinen Anzug und achtete darauf, dass die Kappe meiner Schuhe zu sehen war. „Du hältst mich also für Jesus“, knüpfte ich mir einen vor. „Ja. Eh. Voll cool. Wenn jemand seinen eigenen Style hat“, sagte er mir, während sich eine Gruppe Jugendlicher um mich herum scharrte. Aus den Boxen der Demo dröhnten die pädagogischen Beats eines Trios, das sich bereits seit geraumer Zeit mit den großen Süchten des Lebens auseinandersetzte. Gerade rappten sie über das Schicksal der Söhne von drogenabhängigen Vätern, die niemals in Deutschland angekommen waren. Die Sonne schien. Und der Rädelsführer behandelte mich mit Respekt.

Er hatte mittlerweile seine Hand erhoben. Daraufhin war der Kreis um mich herum etwas kleiner geworden und sie hatten noch einmal auf mich geblickt. Nicht auf mich, sondern auf meine Schuhe. „Krass, woher haben Sie die Schuhe? Krass, die haben einen Computer!“ Ein paar Jugendliche tuschelten und ich überhörte ein paar Fragmente ihrer Unterhaltung. „Jesus ist cool!“ Ich erklärte ihnen noch schnell den Weg zum nächsten Store, der diesen Must-Be-Have der Saison führte und schüttelte ihnen zum Abschied die Hände. „Denkt dran: Jesus war so cool! Ansonsten Schrank!“, gab ich ihnen mit auf den Weg. Sie würden noch eine ganze Weile in der Nachmittagssonne stehen und sich fragen, warum Jesus einen Computer in seinen Schuhen hatte.

Mittlerweile ging es in Richtung Abend und für mich war es an der Zeit in Richtung Kreuzberg aufzubrechen. Ich war guter Dinge, was vor allen Dingen daran lag, dass ich mich dank der Jugendlichen in Steglitz an die wunderbaren Superstolk 2000 erinnerte, die mir vor ungefähr 16 Jahren die Wartezeit zwischen den Champions League-Spielen verkürzt hatten. Ansonsten Schrank singend spazierte ich über das Tempelhofer Feld, im Hintergrund konnte ich den Fernsehturm ausmachen und zum ersten Mal seit langer Zeit war ich wieder komplett bei mir. „Wenn alles andere nicht mehr hilft: Schrank! Da kann man sich dann drauf einigen: Schrank, Baby!, Schrank“ So viel wahre Worte. Und die Sonne ging über dem Tempelhofer Feld unter.

Nachdem ich mir auf dem Kottbusser Damm ein paar Softgetränke reingeschraubt hatte, und am Maybachufer die Wunder der Gentrifizierung beobachten. In dicken Lettern hatten ein paar Radikale den Slogan „GENTREFEZERUNG STOPPEN“ an die Häuserwand geschrieben. Es war ein längst verlorener Kampf, der jetzt mit den letzten Mitteln geführt wurde.

Noch lange nicht verloren aber war nach diesem bemerkenswerten Tag im Leben des Ermittlers das Champions League Spiel gegen Donetsk. Endlich wieder Fußball, stieß ich erleichtert aus, als das Spiel nach der beeindruckenden Choreo der Süd losging. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt, dass sich mein Lebensmittelpunkt vom Westfalenstadion in eine Kreuzberger Kneipe verlagert hatte. Immerhin freuten sie sich hier, den Ermittler zu Gast zu haben. „Dembowski! Noch ein Kronen!“ hieß es dann und ich gab mein Vorhaben auf, bei den Softgetränken zu bleiben. Borussia begann in eine Richtung und Donetsk kam hin und wieder über die Mittellinie, sie nahmen Gündogan in Manndeckung, gaben dadurch ein kreatives Element in ihrem Spiel her und Sven Bender regelte stattdessen das Spiel der Borussia. Ihn hatten sie nicht auf der Rechnung und als Götze nach einer halben Stunde zur Ecke antrat, schrie jemand „jetzt kommt Tele“. Sekunden später war der Ball im Netz und nach einer tollen Kombination über Reus, Lewandowski und Götze das Spiel bereits vor der Pause entschieden.

Bender ging dann raus, Kehl ersetzte ihn und in den ersten Minuten mussten wir diese Umstellung verkraften. Ging aber gut. Auch dank Weidenfeller, der eben die Bälle hält, wenn sie gehalten werden müssen. Das machte er bereits seit Jahren, ob er nun Kapitän war oder ob er die Binde in der Halbzeit abgeben musste. Kuba spazierte dann noch einmal durchs Mittelfeld, stellte sich auf den Ball, sah Gündogan, der abzog. Kuba nach den Abpraller auf, ein Lächeln überzog sein Gesicht. In aller Ruhe schob er den Ball aus kurzer Distanz in den Kasten, ging auf die Knie, streckte seine Hände und Finger in Richtung Himmel und dachte: „Ich bin kein schlechter Spieler.“

Danach war die Borussia wieder der Titelfavorit. Trotz ihrer schlechten Leistungen in der Bundesliga, wie manche Medien noch einmal deutlich machten. Sauer darüber, dass sie die Liga einfach so hergeschenkt hatten. Man konnte es ihnen nicht recht machen und ich war glücklich, dass die gezückten Messer erst einmal wieder in den Taschen verschwanden. Klopp, da waren sich alle einig, war der beste deutsche Trainer. Bis zur nächsten Pressekonferenz. Ich versackte mit dem Propheten noch in einer Bar und er erklärte mir, wie es dazu kam, dass Santana den Ball im Netz versenkt hatte. Irgendwas mit „Faith“, so richtig erinnerte ich mich nicht mehr.