Die Sonne blendete mich durch das beschlagene Fenster. Dieser verfluchte Winter, dachte ich, trat gegen die Tür und stolperte. Wollte mich fangen. Stellte mein rechtes Bein auf den Boden. Ich rutschte aus. Scheiße. Hundescheiße. Mein Kopf schlug auf der Bordsteinkante auf.
In das Katerdröhnen mischte sich ein stechender Schmerz. Ich roch Blut. Bald schmeckte ich das süße Rot. Doch als ich mich aufrichten wollte, sah ich das Blut nicht mehr. Ich sah auch die Zeitungsfetzen nicht mehr, die der Wind auf meine Stirn geweht hatte. Ich sah nichts mehr. Nur noch schwarz. Und das für lange Zeit.
Als ich zu mir kam, lag die Zeitung blutverschmiert neben mir. Die Schmerzen waren unerträglich, darunter legten sich die zischenden Bremsen einer Tram, das Rauschen einer nahen Hauptverkehrsstraße. Ich stank. So viel nahm ich war. Dazu blickte ich in die blutverschmierten Gesichter von Karl-Heinz Rummenigge und kicker-Chefreporter Karlheinz Wild. Sie sahen nicht gut aus.
„Wir haben ihn im Januar verpflichtet. Alles andere war Vorgeplänkel. Er hätte sich bis dahin immer noch für einen anderen Verein entscheiden können.“
Hätte, hätte, Fahrradkette. Hat er aber nicht. Mein Blick wanderte das Stück Papier entlang in die obere rechte Ecke.
„kicker, 23.Januar 2014“
Darunter:
„INTERVIEW DER WOCHE“
Ich zerknüllte das Stück Papier. Mir wurde wieder schwarz vor Augen. Doch es war weniger schlimm. Aus meiner Tasche fingerte ich eine Ernte. Und so lag ich da. Grüne Sneakers, die Camouflage-Trainingshose, das rosa, vom Blut rötlich gefärbte Shirt, auf dem in großen schwarzen Lettern „Thirsty German pensioner“ stand und meine Uschanka auf dem Kopf.
Ich blickte in den Himmel. Zog an der Ernte. Hin und wieder blitzte der Schmerz durch meinen Körper. Doch grundsätzlich war er zu ertragen. Es war nur der Kopf, redete ich mir ein. Nur der Kopf. Nur in meinem Kopf. Ich war nur in meinem Kopf. Nur der Kopf, redete ich mir ein. Es ist nicht passiert. Es ist nichts passiert.
Dass es anders war, klar, das wusste ich. Aber es war nichts passiert. Nicht jetzt. Die Wolken zogen von Osten nach Westen. Die Geräusche der Hauptverkehrsstraße wurden lauter. Bald wieder leiser. An einer Einfahrt saß jemand, die Kapuze tief in sein Gesicht gezogen, ein Pilsator in der Hand, auf einem Rollator. Sein Schäferhund blickte auf den Boden. Und verharrte, wartete, und bewachte.
Auf der anderen Straßenseite drückten sich ein paar Jugendlichen in einem Häusereingang rum, spuckten Kürbiskerne, blickten ausweglos durch die Wohnblockfluchten und hinter mir rannte jemand aus Richtung der Hauptverkehrsstraße kommend.
Ich blickte in den Himmel. Langsam zogen die Wolken, drückten die Sonne immer tiefer an den Boden. Die Wunde war mittlerweile verkrustet. Die Schmerzen wurden erträglicher. Zogen in immer länger werdenden Abständen durch den Körper
.
Zeit aufzustehen. Es mochte ein Tag vergangen sein. Vielleicht auch nicht. Ich hatte keinen Plan. Niemals gehabt. Aber auch nicht wo ich war, wann es war und wo die Lamas waren. Zum Glück wusste ich noch, wer ich war.