“Hast Du überhaupt eine Ahnung, wie alt die Vierlinge wirklich sind?” Die Stimme am Telefon war laut, brutal und dringlich. Wie aber sollte ich das wissen? Natürlich hatte ich keine Ahnung, ich war im Keller, hörte Shellac und regte mich über die Unfähigkeit auf. Wie also sollte ich da wissen, wie alt die Vierlinge überhaupt sind und wieso sollte mich das interessieren? Ich war froh, heute nicht mehr vor die Tür zu müssen. Ich war froh, heute kein Wort mehr in die Welt zu setzen. Shellac und der Keller. Die Straße draußen war mir bereits jetzt suspekt. Überall standen sie rum und tranken Bier, und wenn sie nicht rumstanden und Bier tranken, warfen sie Müll aus den Fenstern, prügelten sich und orchestrierten Polizeieinsätze. Früher, bei der Wentraud, orchestrierten sie nur den morgendlichen Stau, dachte ich, hörte Shellac und regte mich über die Unfähigkeit auf.

Jetzt aber diese Stimme. Hatte ich noch noch nicht gehört, aber auch das passierte in letzter Zeit häufig. Immerzu wollten mir unbekannte Stimmen etwas von mir. Das also war die große Stadt. Ein Meer aus mir unbekannten Stimmen. Klar, davon hatte ich mir doch mehr versprochen. Ein Sonderling, der mir Finger in die Manteltasche steckte. Eine Samenhandlung, dessen Hinterzimmer einer Terrorzelle glich. Und Fußballvereine, die mich nicht im entferntesten berührten. Und dann diese Stimmen! Unbekannt. Auch die Konstrukteure hatte ich aus den Augen verloren. Piotr war seit Wochen ruhig. Tja. Niemand hatte die Absicht, mir einen Rosengarten zu verkaufen! Deswegen, Dembowski!, sag ich zu mir, halte Dein Maul und gehe raus aus dem Keller. Gehe raus auf die Straße und folge der Stimme. Sie wird Dich führen. Und als ich die Stimme noch einmal hörte, konnte ich mich ein wenig beruhigen. Es war nur ein Forschungsinstitut. Sie wollten mich zu meinen Hörgewohnheiten befragen. Immerhin da konnte ich auftrumpfen. “Hitradio RS 94,3 RS 2” schleuderte ich ihnen entgegen und machte mich auf die Suche nach den Vierlingen. Vielleicht auch nach dem Alter der Vierlinge. So alt konnten sie noch nicht sein. Immer ein Kalauer jenseits der Schmerzgrenze.

An der Bösen Brücke erklärte ich den vorbeifahrenden Radfahrern noch schnell die entscheidenen Momente der beendeten Teilung, im Mauerpark spazierte ich mit den Radfahrern über das Kopfsteinpflaster und erklärte den Flohmarkt kurzerhand für beendet. Auf der Eberswalder beschimpfte ich die Touristen und in der Oderberger flanierte ich mit den Hundebesitzern. Im Takt der Stadt. Zurück in Richtung Mitte. Brunnenstraße. Bernauer Straße. Wieder den Klassiker der beendeten Teilung. “Meine Damen und Herren, sie stehen hier an” und weiter. Manchmal fragte ich mich, ob sie sich dafür interessierten. Manchmal fragte ich mich, ob sie es wirklich wissen wollte. Sie standen an. So wie der Klassiker. Auf der Invalidenstraße betrachtete ich das BND-Gebäude. Ob sie bereits die Aufstellung für morgen hatten? Und wer würde wirklich spielen? Kehl? Bender! Leitner? Und würden wir gewinnen können? Ja! Sagte ich. Spazierte weiter am Bundeswehrkrankenhaus vorbei und schaute am Kanal den letzten Ausflugsdampfern des Jahres nach. So schlecht ist das gar nicht, Dembo, dachte ich mir. Aus dem Augenwinkel sah ich einen Rothaarigen vorbeihuschen. Im Schlepptau hatte er zwei weitere Personen. Ich folgte meiner Eingebung. Die Vierlinge waren gerade erst geboren, ich vergab ihnen trotzdem nicht.