Nach Rücksprache mit Redermann beschloss ich das Dorntrupp-Gutachten unter Verschluß zu halten. Die Sache war es am Ende nicht wert. Viel zu lange und also die nach dem Pokalspiel verbliebene Restwoche hatte ich mich mit diesen Belanglosigkeiten beschäftigen MÜSSEN! Nun war es gut. Ereignisreiche Tage waren ins Land gezogen. Die Rückrunde nahm Fahrt auf, wir kamen in die Endphase und natürlich wurden da Nebensächlichkeiten zu großen Geschichten aufgeblasen. Jeder musste sich in dieser Endphase der Liga in die Entscheidung einmischen. Das Land redete, die Presse schrieb, das Fernsehen berichtete. So waren die Regeln. Nicht erst seit dieser Saison. Das aber wurde meist vergessen.
Mittlerweile war der Frühling eingekehrt, die Zeitumstellung stand vor der Tür. Wieder ein Winter rumgebracht, wieder einen Winter überlebt, dachte ich mir, als ich mit dem Rad durch die Stadt fuhr. Das hatte ich mir nun für den Sommer vorgenommen. Mit dem Rad durch die Stadt. Die Straße runter. Die Rechtsabbieger im Blick, immer ein Ellbogen für den Nebenmann parat, die Schönhauser runter stürzen, wenn sie nach der Kulturbrauerei zum Schönhauser Tor hin abfiel. Dort über die Kreuzung, die Neue bald die Alte Schönhauser, über die Gleise der Rosenthaler schlittern, mit Vollgas über den Hackeschen Markt, über die Baustelle aufregen, wieder zurück, an den Bauzäunen vorbei, endlich rüber in den Lustgarten. Auf das monströse Humboldt-Forum starren, den Touristen ins Bild rennen und irgendwann einmal in diesem Sommer wollte ich in der RBB Abendschau auftreten. Ich hatte zu allem eine Meinung und war, das konnte ich mit größter Bestimmtheit sagen, ein Insider auf vielen Gebieten. Sie müssten mich nur fragen, ich würde antworten.
So lag ich nun im Lustgarten, ging noch einmal meine Fälle durch. Der Finger und Komaroff waren nach den drei Tagen im Oldie-Eck ein wenig aus meinem Blickfeld verschwunden, ansonsten kamen kaum Aufträge rein. Wenn ich auch die Polizeimeldungen durchstöberte, so war ich mir immer sicherer, dass ich letztendlich zwar das Ermittler-Handbuch der verbindlichen Freundlichkeit mein Eigen nennen konnte, ich aber ansonsten herzlich wenig mit dem klassischen Bild eines Ermittlers zu tun hatte. DerSamstag! beanspruchte einen Großteil meiner Zeit und immer wenn ich dachte, dachte ich entweder an Dörte oder an Fußball. Da blieb keine Zeit für den Broterwerb.
Langsam ging mir die Kohle aus, ich musste mich endlich wieder um einen Auftrag kümmern. Mir blieb wenig Zeit. Ich könnte mich vielleicht noch bis zum Saisonende über Wasser halten, wenn ich meinen Bierkonsum einschränkte, überschlug ich im Lustgarten liegend. Die Busse karrten die Touristen auf die Museumsinsel, spuckten sie aus und sogen sie, nachdem sie ihre Bilder gemacht hatten, wieder ein. Next Stop: Reichstag! Mit einem Schwenk durchs Brandenburger Tor. Mir fiel auf, dass ich mich hier selten rumtrieb. Jetzt im Sommer, jetzt mit dem Fahrrad würde sich das ändern. Die Stadt war mein Zuhause. Ich kannte die ruhigen Orte, ich liebte das geschäftige Treiben auf der Schönhauser und das Gewusel im Soldiner Kiez. Die Gegensätze. Hier der Glamour der Liberalen und Weltoffenen, dort das erstrahlende Grau der Hinterbliebenen.
„Hallo! Sind sie nicht der berühmte Sänger?“, ein paar Schüler standen vor mir. Sie waren mit dem Bollerwagen zum Lustgarten gezogen, ich hatte das Siez-Alter erreicht. „Sänger? Ermittler!“ „Der ist gut“, sagte eines der Mädchen zu ihrem Freund, „der singt immer vom warmen Abend und unruhigen Tieren und nennt sich Ermittler. Ich mag es“, jetzt wieder zu mir „wie Sie sich auf der Bühne bewegen, und, Hand aufs Herz, diese Lieder, sie sprechen mir aus der Seele. Ich mag es auch“, nun lächelte sie mich an, ihr Freund wurde zusehend nervös, nahm noch einen großen Schluck aus seiner Flasche „wie Sie sich hier nicht zu erkennen geben. Itouri gehört zu meinen liebsten Liedern aller Zeiten. Wir haben da auch mal was in der Schule gemacht. Also ich, mein Freund, naja, der mag das eben nicht so, hat mitgemacht, aber eigentlich befummelte er mich die ganze Zeit, doch ich, Sie wissen ja, war in Ihrem Roadmovie gefangen.“
Ich verstand nichts, und ich lag da im Lustgarten, die Touristen fotografierten sich hier und da und vor mir stand ein Mädchen, das offenkundig mit mir ins Bett wollte. Aber wieso dachte sie sich diese Geschichte aus? Was hatte es mit Itouri auf sich? War dies der neue Fall für den Ermittler? Ich sagte „Vielen Dank“ , stand auf, schnappte mein Rad und fuhr so schnell es geht, dabei die Busspur blockierend, in Richtung Brandenburger Tor. Noch an der Friedrichstraße hörte ich „jetzt waren Sie mal, ich dachte doch…“ .Unter den Linden fühlte ich mich elektrisch. Im Tiergarten verstört.
sie hielt mich auch für eine andere person. das ist die verwechslung
Nein, in Wahrheit ist das Mädchen kein Dembowski-Fan!