Freitag, Kneipenabend. Die Meisterfeiern am Wochenende bereits eine Woche in der Vergangenheit liegend, angeblich steht der Weltuntergang bevor. Bereits heute um 18 Uhr. Wahrscheinlich amerikanischer Westküstenzeit. Weltuntergänge sind eine Erfindung von Hollywood. Also kann die Welt auch nur dann untergehen.

Es war eine aufregende Woche für mich. Viele Aufträge flatterten ins Haus. Die Stimme zieht weiter mit dem Iglu durch die Stadt. Und wenn es nicht geschmolzen ist, dann singt er noch heute, sagt mir die Wentraud bei meinen morgendlichen Besorgungen. Sie nimmt es mit einem Lachen hin. Ihre Laune ist ohnehin nicht von dieser Welt. Ahnt sie das bevorstehende Ende oder hat diese Meistermannschaft unmögliche Dinge geschafft, nicht nur meine Laune, sondern auch die von der Wentraud mindestens für ein paar Tage anheben können. Nicht einmal die Anwaltgeschichte stört mich großartig. You win some, you lose some. But i lost my will to lose. So sieht es aus. Ein paar Spiegeleier in der Pfanne, einen guten, starken Kaffee, die Rollos nach oben, den Kindern auf der Straße zuschauen. Ich beschalle sie mit Document von R.E.M. – stumme Bilder berichten auf CNN weiterhin vom Ende der Welt. Zombies breiten sich in Los Angeles wie wildgewordene Vögelschwärme aus, sie tanzen einen letzten Tanz und hinter den Masken schauen sie mit ihren Chips Real-Life-Snuff-Videos. Business as usual.

Ritchie ist auf der A2. Wenn die gewinnen, bin ich heute zebrastreifenblau, hat er mir vor seiner Abreise erklärt. Sogar Kater Karlo lässt es sich nicht nehmen. Die Geschäfte dort sollen einfach prächtig laufen. Irgendwas ist in den letzten Wochen passiert und Hollywood will die Welt untergehen lassen. Vielleicht keine schlechte Idee. Wird es jemals besser werden? Wahrscheinlich nicht, denke ich. “We’re sharpening stones, walking on coals / To improve your business acumen / Sharpening stones, walking on coals /To improve your business acumen.” So langsam nähert sich das Dokument dem Ende der Welt. Noch einmal drehe ich die Runde durch meine Erdgeschosswohnung. Wird es der letzte Freitag sein. Werde ich Ritchie einfach abgeschüttelt haben und nie wieder sehen? Ich wäre darüber nicht traurig.

Ich rufe Reiser an. Noch einmal ein paar Bier auf die alten Zeiten. Er kommt gerade aus Posen zurück und ist sofort Feuer und Flamme. „Das haben wir uns verdient, Dembowski. Ich muss Dir was erzählen! Wahnsinn!!!“ erzählt er am Telefon. Wir treffen uns. Auch in der Kneipe läuft heute Document. Nur so können wir noch was bewegen, sagt die Wirtin. Die Wentraud ist auch mitgekommen, sie hat die Trinkhalle früher dicht gemacht. Sie sitzt schweigend neben uns. Aus Reiser sprudelt es heraus. In Posen hat er wohl die alten Swinger getroffen, die mir damals in Lwiv ein ausgesprochen gutes Angebot gemacht haben. Sie hätten mich vermisst, aber irgendwann hätten sie auch die Vorzüge der deutschen Presse erkannt. Er zwinkert mir zu. And I feel fine. Aus der Ferne höre ich die Sirenen des Klinikums. Auf sie wartet eine Herkulesaufgabe. Doch Dortmund ist versöhnt, Reiser ist versöhnt, die Wentraud ist versöhnt, Ritchie in Berlin und mir ging es in den letzten Jahren kaum besser. Irgendwas ist mit dieser Stadt passiert. Damals, damals am vergangenen Wochenende. Here’s a truck stop, instead of a Kneipe. Wir flippern. Die Nacht umhüllt uns. Die letzte Nacht auf Erden.