Es ist einsam hier unten. Es ist noch einsamer, wenn man etliche Stunden mit den grenzdebilen Moderatoren verbringen muss. Aber ich muss mich meinem Schicksal fügen, die Worte von Piotr hatten Nachdruck und sind noch lange nicht verhallt. Um wieder an die Oberfläche zu gelangen, muss ich Demut lernen. Demut, das große Wort, von Thomas damals in jedem Moment benutzt und ad absurdum geführt. Trotzdem war Thomas damals in einer schwierigen Phase ein Halt. Doch zog er mich weiter in seinen eigenen Demutstrudel und ließ mir keine andere Wahl als das Angebot von Reiser anzunehmen und mich damit in der Folge dann auch gegen Thomas zu stellen. Sein Ende auf dem Podium rang mir nicht mehr als ein müdes, trauriges Lächeln ab. Ich war in einem halben Jahr zu einem Zyniker geworden, zu einem sogenannten Weltverachter. Ich hatte, so dachte ich damals im Frühjahr 2008 zumindest, die Koordinaten entdeckt und sie mir zu Eigen gemacht.

Thomas, Tomasz, die Welt ist ein Dorf, denke ich. Gute 3 Jahre nach meinem letzten Gespräch mit Thomas, geführt in einer Tiefgarage nahe der B1, tritt jetzt also Tomasz in meine Leben und auch wenn er nicht mit mir redet, denn diesen Job übernimmt weiterhin ausschließlich Piotr, dessen Monologe mich an den Rande des Wahnsinns führen, so lehrt er mich nun wieder Demut. Die Auslöschung meines überholten Demut-Begriffes schreitet voran. Und vielleicht, so denke ich während eines ruhigen Moments im Aufenthaltsbereich, haben Piotr und Tomasz tatsächlich einen Plan. Nicht nur einen Plan für ihren Job als Konstrukteure, sondern auch einen Plan für mich. Noch bin ich mir jedoch keineswegs sicher, um was für einen Plan es sich handelt und auch nicht, ob dieser Plan mir helfen kann. Wobei er mir helfen kann, ist eines der weiteren Rätsel im Unterwasseraquarium Schwan hier unten in den Masuren.

Doch in der verschwimmenden Zeit hier unten am Jezioro Nidzkie bleibt mir für derlei Gedanken wenig Zeit. Die immer gleiche Tagesroutine erfordert auch von mir ein hohes Maß an Konzentration. Immer wenn Tomasz nicht da ist, ist er oben an der Oberfläche den Schein bewahren, wie es Piotr nennt. Immer wenn Tomasz da ist, sitzt er an einem der Computer und arbeitet mit höchster Konzentration an seinen großen Aufgaben. Hin und wieder werfen sich Piotr und Tomasz ein paar Wörter zu, ansonsten herrscht bis zu einem von Piotrs Monologen Ruhe. Das Surren der Neonlichter, das Klackern der Tastatur, mehr Geräusche kann man in diesen Momenten im Arbeitsbereich nicht vernehmen. Die Beschallung wurde nahezu komplett ausgestellt. Eine immense Erleichterung, wenn nach stundenlanger Sichtung diverser Materialien keine finnische Discomusik durch den Raum wabert.

Auch ich habe jetzt meinen Rhythmus gefunden, bei der Analyse der Nichtigkeiten grenzdebiler Moderatoren kommen wir zu einem überraschenden Ergebnis. So kann Piotr anhand seiner Daten und meiner Auswertung einen großen Teilerfolg erzielen. Es besteht, und weiter kann ich das Thema momentan, denn trotz des Erfolgs reden wir hier immer noch von einem Teilerfolg, der natürlich niemals gleichbedeutend mit dem finalen Erfolg und ebenso wenig mit dem entscheidenden Durchbruch während der Beweisführung, hier nicht anschneiden, kein Zweifel mehr an einer der größeren Enthüllungen der deutschen TV-Geschichte.

Es sind andere Fälle für mich. Weg von den Menschen, weg von den Ablenkungsmöglichkeiten, natürlich auch weg von den entscheidenden Tagen der Bundesligaspielzeit, die mich im vergangenen Jahr beruflich, aber auch privat!, in ihren Bann gezogen hat. Was ist schon Martin gegen die messerscharfe Brillanz der führenden Köpfe des Konstrukteurwesens? Was kann Reiser gegen diese tatsächlichen Weltveränderer anrichten? Er hat nicht einmal die leiseste Ahnung von ihrer Existenz, eine Sache also, denke ich, die für mich in Zukunft der entscheidende Schritt voraus sein könnte. Diese stillen Menschen unter der Wasseroberfläche haben eine große Aufgabe, so viel ist mir in den Tagen oder sind es schon Wochen? in der Station hier klar geworden. Diese stillen Menschen tun einen Teufel, der Öffentlichkeit davon zu berichten. Sie lassen die Dinge einfach laufen und scheinen sie doch in gewisser Weise steuern zu können. Sie steuern also, denke ich, am Ende auch Reiser. Und immerhin, so viel ist mir klar geworden, gehöre ich nun, wenn auch nicht zum sogenannten innersten Zirkel, zu dem verschwindend geringen Teil der Mitwisser. Was aber wird mir diese Mitwisserschaft in meiner Erdgeschosswohnung bringen, so ich diese jemals wieder betreten kann, frage ich mich und setze mich danach wieder vor meine heutige Aufgabe.