Nachdem er die Prinzenallee hoch und die Pankstraße runter gelaufen war zog es den Ermittler in die Weinhandlung. Dembowski war zufrieden, noch wusste er nicht: Alles würde noch besser werden! 

Der Winter zog sich endlos dahin.  In den Zeitungen las ich von immer neuen Kälterekorden. Manchmal spiegelte sich der ewige Schnee in der Frühlingssonne, manchmal blieb der Schnee die einzige Lichtquelle. Ich machte mir keine Sorgen mehr. Irgendwann würde die Sonne wieder scheinen. Für mich, auf mich, wegen mir und wegen ihr, Dörte!

An diesen letzten kalten Tagen des Frühjahrs hatte ich großen Gefallen an meinen abendlichen Spaziergängen gefunden. Ich bewegte mich die Prinzenallee runter und die Pankstraße hoch. Auch im Soldiner Kiez, im Gesundbrunnen war der Wandel Berlins sichtbar. Doch noch warben die Wettstuben mit Otto Rehhagel im Trainingsanzug der Griechen, noch hatten sie separate Eingänge für die europäischen und asiatischen Spiele, noch formierte sich während der Champions League-Übertragungen eine Menschentraube auf dem Bürgersteig. Ich lief die Pankstraße hoch und die Prinzenallee runter und beobachte die Menschen hinter den Schaufenstern.

Sie gingen ihren Geschäften nach, verkauften Fleisch- und Backwaren, bewirteten vereinzelte Gäste, verkauften Lampen und billigen Silberschmuck, nahmen todsichere Wetten an und vermittelten mir dabei das Gefühl, dass es immer irgendwie weitergehen würde. In kalten Märztagen und warmen Apriltagen und egal, was sich in der großen weiten Welt auch verändern würde.  Sie sorgten sich um ihr Auskommen, um ihr tägliches Überleben und begriffen den großen Rest, begriffen vor allen Dingen den Fußball als das, was er immer schon gewesen war:  Als einen grandiosen Zeitvertreib, der hin und wieder, hatte man auf das richtige Team gesetzt, ein paar Euro abwerfen würde.

Ich lief die Prinzenallee runter und die Pankstraße hoch. Und als spät wurde, betrat ich die Weinhandlung auf der Prinzenallee. Auf der kleinen Bühne, die eigentlich nur eine Ecke des Raums war, hatte es sich Andrea Schroeder eingerichtet und spielte die Lieder aus ihrem Album. Alleine. Beinahe. Ein Gitarrist an ihrer Seite. Beide für sich. Alleine. Mir gegenüber saß ein graubärtiger Herr. Unter seiner Schiebermütze blickte er bedächtig auf den Monitor seines Laptops. Neben ihm knisterten die Holzscheite im Kamin und im Schneegestöber blitzten die Scheinwerfer des vorbeirauschenden Verkehrs auf.

Langsam setzte ein Beat ein, langsam füllte der Raum sich mit den magischen Tönen der Schroeder, die ihre Cover-Version von Bowies Helden für die wenigen Gästen der Weinhandlung spielte. „Wir können sie schlagen, für alle Zeiten“, sang sie „dann sind wir Helden, nur diesen Tag.“ Und ich fragte mich, ob ich diesen Moment in diesem Jahr noch einmal durchleben werde. Es war der bislang friedvollste Tag des Jahres, der eine verheißungsvolle Zukunft andeutete. Für einen Moment, für diesen einen Moment, war die Erde der schönste Platz im All. Draußen der Schnee, darüber die Flugzeuge, die Sterne, die Lichter der Stadt. Drinnen die Wärme, die Seele, das Feuer, der Jazz des alten Manns.

Als ich mir am nächsten Morgen mein Frühstück zubereitete, klingelte das Telefon.  Der mich so in meinen morgendlichen Trott störende Anrufer stellte sich kurz angebunden als ein geheimer Informant vor. Ich schlug ihm vor, seinen Informationen im Internet auszubreiten und bot ihm eines meiner „wie starte ich ein Gerücht im Internet“-Seminare an. Der Anrufer aber schlug das, zugegeben, wenig verlockende Angebot aus und erzählte.

Es ging ihm nicht um meine Rolle als V-Mann, er wollte mir vielmehr von den neuesten Entwicklungen im Lewandowski-Fall erzählen. Dazu, so sagte er mir, hätte er aus gut informierten Kreisen folgende Information beizusteuern. Was dann folgte, riss mich zwar nicht aus meinem Frieden, aber es erstaunte mich. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich das Gefühl, dass sich in der Lewandowski-Sache spürbar etwas entwickelte hatte. Ich versprach dem Anrufer mit seinen Informationen wenig vertraulich umzugehen, und sie für DerSamstag! auszuschlachten. „Wusste ich es doch“, lachte es aus dem Telefon „auf Dich kann mich sich nicht verlassen, Dembowski! Viel Erfolg!“ Wenig später war es mir mit ein wenig Recherche gelungen, die Informationen zu bestätigen.

Zur Feier des Tages öffnete ich eine Flasche Kronen. Es war beinahe Mittag und in den nächsten Stunden ging ich die DerSamstag!-Marketingstrategie durch. Es war Redermann und mir durch harte Arbeit gelungen, die Zeitung am Markt zu platzieren, nun war es Zeit für den nächsten Schritt. Zum ersten Mal überhaupt dachte ich über ein wenig Werbung nach, um in der Folge zu expandieren. Längst lagen die Pläne für einen Relaunch auf meinem Desktop, doch noch fehlten die finanziellen Mittel um den nächsten Schritt zu gehen.
Da kam mir die Anfrage einer Hamburger Agentur natürlich gelegen.

Die Agentur schrieb von einer win-win-Situation. Die DerSamstag!-Leser sollten jubeln und diese Bilder mit einer App in die weite Welt hinaustragen. Dazu fuhr noch ein Meisterbus durch die Stadt, dort konnte man , wenn man es aus welchem Grund auch immer nicht geschafft hatte, in den letzten 18 Monaten mal einen Blicke auf die Schale zu werfen, noch einmal einen Blick auf die Schale werfen, bevor sie für das nächste Jahr in irgendeinem Keller im Süden der Republik verstauben würde.  Ich versprach, auf das Eintreffen des Trucks am 16.03. um 10.30 Uhr auf dem Platz vor der Reinoldikirche hinzuweisen und die DerSamstag!-Leser zum Jubeln aufzufordern. Die Agentur wollte es mit einer Anzeige danken. Die erste Anzeige, passend zum Lewandowski-Hammer!

Ich schraubte mir noch ein Kronen rein, legte die Bleach, wartete auf Negative Creep, sang laut mit, öffnete ein Word-Dokument und begann zu schreiben:

Lewandowski: Kein Bayern-Wechsel!(berlin / 15.03.2013) Nach exklusiven Informationen dieser Zeitung wird Robert Lewandowski nicht zu den Bayern  wechseln. Spielernahe Quellen berichten: Lewandowski ist das Versteckspiel leid. „Sie benutzen mich als Schachfigur“, soll Lewandowski gesagt haben. DerSamstag! weiß, dass anderslautende Medienberichte Teil einer gezielten Kampagne waren. Der Pole strebt internationalen Ruhm an und sagt „was sollen die Bayern mir anders als Dortmund bieten“. 2x Meister, 1x Pokal, trotz Skandal-Rot auf dem Weg zum Torschützenkönig und in der Champions League wartet Málaga. Lewandowski will sich mit einem Titel verabschieden. Dann geht es auf die Insel, weiß DerSamstag! Hat Dortmund noch Chancen? Das ist so gut wie ausgeschlossen.  Wird Lewandowski alles geben? Ja! Wieviel Ablöse kann Dortmund erzielen? Dank des kolportierten Interesses der Bayern werden es rund 35 Millionen Euro sein. Erst die Kanone, dann Wembley, dann Premier League, so der Lewandowksi-Plan! (dembowski / DerSamstag!)

Nach der Champions-League-Auslosung buchte ich mir einen Flug nach Málaga. Redermann und ich waren eingeladen. DerSamstag! an der Spitze der Berichterstattung angekommen.