Als ich aufwachte, hämmerte mein Kopf. Ich musste mich noch eklatant betrunken haben. Nur um zu vergessen, so sehr hatten mich die Worte Dürrs zutiefst verstört. Dürr war mir bisher dato nur durch seine unbedarften Lebensweisheiten in Sachen Frauen aufgefallen. Doch seine Verstrickungen reichten tiefer. Seine Worte, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte, hatten mich endgültig abschließen lassen. Er hatte sie ruhig gesprochen, sie waren wohlgewählt, er hatte die richtigen Stellen betont, mir war nachgerade schwindelig geworden, als ich die Tragweite seiner Äußerungen erkannte.

Doch als ich aufwachte, hämmerte mein Kopf und ich erinnerte mich zwar noch seiner Stimme, aber nicht mehr seiner Worte. Was auch immer er gesagt hatte, musste mich in einem Zustand der tiefsten Verstörung zurückgelassen haben. Wir hören von eine Katastrophe, dachte ich über der Toilette hängend, und reagieren mit einer Schutzhandlung. Wir hören von einer Katastrophe, von einer Sache, die sich so nicht zugetragen haben darf, dachte ich, und wir stellen uns der Situation nicht gleich, sondern versuchen erst einmal alles zu vergessen. Wir hören von einer Katastrophe und stürzen uns sofort in das nächstgrößere Unglück, nur um den Schmerz in Relation zu setzen. Wir trinken, um den Schmerz zu vergessen, den ein Anruf aus dem Nichts über uns gebracht, der uns aus allen naiven Träumen gerissen hat.

Als ich aufwachte, hämmerte mein Kopf und ich stürzte in Richtung Klo, um den Mageninhalt auf Spuren von Restalkohol zu überprüfen. Ich erinnerte mich an den Anruf, an die Art und Weise, wie ich bereits vorher, ein Bier in der Hand, den Einschlag provozieren wollte und nichts passierte. Ich erinnerte mich an das Geräusch eines Hubschraubers und die Suchscheinwerfer, die sich durch die trübe Schneeluft auf mich richteten. An den Mann mit der Gitarre, an den Kaminhändler, der auf die Straße stürzte und den Stau koordinierte. Über der Kloschüssel hängend fragte ich mich, ob Fußball wirklich nur ein Spiel war. Ich konnte es kaum glauben, so sehr, so schnell war aus meiner Wut Ohnmacht geworden. Wenn diese Ohnmacht auch auf den übermäßigen Konsum von verschiedenen Bieren und Schnäpsen zurückzuführen war.

Als ich aufwachte, hörte ich Michael Stipe aus der Anlage. Automatic for the people , automatic for Dembowski. Ich musste das Album auf Dauerschleife gestellt haben. “I have got to leave to find my way, watch the road and memorize this life that pass before my eyes. Nothing is going my way.” Stipe hatte ich irgendwann aus den Augen verloren, doch jetzt an diesem Sonntagmorgen, an dem ich aufwachte, mein Kopf hämmerte, ich nur noch ein paar Erinnerungsfetzen an den Abend zuvor hatte und es grundsätzlich mal wieder mehr bergab als bergauf ging, war Automatic For The People das größte Album aller Zeiten. Immerhin gibt es Musik, dachte ich, verließ das Klos und beobachtete am Fenster stehend den Tanz der Schneeflocken.