Verdammt. Ich bin stinksauer. Der größte Coup der Ermittlergeschichte und niemand glaubt meinen Worten. Viel schlimmer noch. Ich bin blau, in der Kneipe und ich verstehe, dass niemand meinen Worten glaubt. Gegen eine gut geölte Medienmaschine kann ich nichts ausrichten. Auch wenn Redermann mich aufrichten will, Amok endlich seinen Jäger hat, ja sogar Reiser schaut vorbei, bewundert uns für diese gelungene Aktion.
Doch während die Welle anrollte, saß ich alleine in meiner Erdgeschosswohung. Ich verfolgte die Meldungen, die erst ganz klar in die richtige Richtung brandeten. Es ging um die Anlage, Piotr hatte dafür gesorgt, dass ein paar Fotografen recht gute Bilder von ihr machen konnten und, wirklich, die Bilder waren super. Ein paar Nerds hellten sie auf, andere vergrößerten die entscheidenden Stellen der Bilder. Insgesamt waren wir auf dem Weg. Der Plan, Hoffenheim an den Karren zu pissen, ging auf, dachte ich in der Erdgeschosswohnung sitzend. Schon früh am Sonntag war das klar. Der gute alte Zeigler hatte sich einen gekrallt. Mit Sicherheit kam der nicht aus Dortmund. Aber er untermauerte mein Vergehen. Hatte wohl auch Videoaufnahmen, in Hoffenheim war man überfragt. Die Geräusche hatten sie so noch nie vernommen, niemand glaubte ihnen.
Auf einmal meldete sich sogar der Patron zu Wort. Er spielte uns in die Karten. Ich sah ihn mit einigen hundert Anzeigeformularen vor der nächsten Polizeistelle stehen. Die, sagte er, könnte ich sofort einreichen. Ein Mitarbeiter hat die heute extra für mich ausgefüllt. Sie können sich gar nicht vorstellen, erklärte er weiter, wie sehr mein Herz schmerzt. Es geht mir um die Menschen, es geht mir um die Werte, es geht mir um bundesweite Solidarität. Wissen Sie, sein Gesicht glühte jetzt vor Begeisterung, mit meinen Stiftungen habe ich viele viele gute Dinge geschaffen. Ich lasse mich daher nicht in eine bestimmte Ecke drücken. Aber auch für die Schwachen habe ich ein Herz, fuhr er fort, hielt inne, schmiss die Formulare auf den Boden. Binnen Sekunden eilten einige Mitarbeiter mit Feuer heran, die Anzeigen brannten lichterloh. Ich kann das aushalten, erklärte er nun vor der eifrig durchs Bild laufenden Kameramänner sämtlicher TV-Anstalten dieser Nation, und ich gehe davon aus, dass die Übeltäter auch ein wenig Spaß verstehen. Sehen Sie, es sind schwere Zeiten, die Schulsysteme brechen weg, die sozialen Kluften werden unüberwindbar, doch bin ich gerne Teil dieser Gesellschaft und doch kümmer ich mich um die Verirrten und die Verlorenen. Ein wenig Krach, er zwinkerte mit dem Auge, zupfte sein 18,99 Shirt zurecht, ist da doch überhaupt nichts. Wir sind ein Volk. Verstehen Sie, der Mauerbau hat unser Land zerrissen. Es waren Leute wie ich, es waren Familien, wie die meiner Mutter, die dieses Land wieder aufgebaut, am Ende sogar zusammengeführt haben. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Unfassbar. Sogleich klingelt das Telefon. “Hast Du das gesehen, Dembowski?” “Klaro. Der Typ ist ne Granate. Von der Bösen Brücke bis nach Sinsheim ist es nur ein Katzensprung. I like. +1” “Kneipe?” “Kneipe!” Ein paar Minuten später sitzen wir zusammen. Amok ist schon da. Geiler Typ. Er hat die Gedecke geordert, bleibt selbst jedoch beim Jäger. “Hab ich da nicht bekommen, jetzt eben den ganzen Abend!” Sogar die Wirtin hat ausgesprochen gute Laune. “Endlich fährt denen mal jemand an den Karren. Diese Millionäre. Milliardäre. Verzeiht. Die nächste Runde geht aufs Haus!” Wir sitzen da, trinken, rauchen, feiern unseren Erfolg, von dem wir, das mussten wir Piotr versprechen, nicht erzählen dürfen. In Hoffenheim dreht man sich derweilen im Kreis. Die Schlinge zieht sich immer enger und sie wissen nicht wieso. Doch dann: Über N24 flimmert ein Laufband. Fall geklärt, Mitarbeiter bekennt sich. Wir sind sprachlos. Fassungslos. Atemlos. “Schweine!” “Verdammte Schweine!” “Das kann doch nicht wahr sein.” Ein paar Minuten später ist da wieder dieser Mitarbeiter vom Vormittag. Der Patron hat ihn als Bauernopfer erwählt. “Mensch, das kann doch noch nicht alles gewesen sein”, merkt Redermann an. Ich klicke mittlerweile nur noch willkürlich auf meinem iPhone herum, ziehe mir noch ein Gedeck rein und sage: “Niemand, niemand, niemand, wird jemals die Wahrheit erfahren!”
Das Telefon klingelt, Piotr: “Keine Panik! Auch in anderen Städten sitzen Konstrukteure. Das war erst der erste Teil. Bleibt am Ball, Jungs und um Himmels willen, Dembowski, bleib nüchtern! Wir brauchen Dich, schon morgen!”