Es war so eine Sache mit dem DFB-Pokal. Waren die Borussen, wie meistens in den letzten Jahren, früh ausgeschieden, interessierte mich maximal noch das Endspiel. Wenn es dann auch noch die Blauen nach Berlin zog, sie sich dort mal wieder ihr Meistersurrogat abholen durften, war mir nichts egaler. Das Cupfinale und der Weg dorthin interessierte nur bei eigener Anwesenheit.

Als ich aufstand, hatte ich nicht unbedingt das Gefühl, einem historischen Tag beizuwohnen. Mal wieder hatte jemand eine Statistik ausgegraben. Dort stand: Noch nie hat der BVB ein Auswärtshalbfinale im DFB-Pokal als Sieger beenden können. Nun war es nicht so, dass wir in den Halbfinals reihenweise Niederlage kassiert hatten, meist waren wir bereits vorher gescheitert. Wir würden also unsere Serie brechen müssen oder aber Greuther Fürth würde sich zum ersten Mal für die Europa-League (oder in diesem Falle für zahlreiche Qualifikationsrunden) qualifizieren.

In dem ich die Vorberichte zumeist ignorierte, blieb mir zumindest die Hackfresse von Gerald Asamoah erspart. Doch ganz ohne Asamoah ging es nicht. In einem Interview schwadronierte er wieder von Lüdenscheid, wischte seinen einsamen Lauf über die B1 beiseite und war wieder ganz der Alte. Doch ich erinnerte mich an den letzten Auftritt Asamoahs.

Er stand an der Seitenlinie. Großkreutz rannte auf ihn zu, an ihm vorbei und bejubelte einen weiteren Treffer gegen St.Pauli. Dort war Asamoah nie angekommen. Das hatte sich nun in der zweiten Liga geändert. Immerhin hatte er es nach seinem Tritt gegen Bochum zum kicker-Spieler des Tages gebracht. Wahrscheinlich weil er in den Interviews später so nett „das kann doch mal passieren“ gesagt hatte. Er blieb ein Spinner.

Aber das anstehende Spiel war natürlich nicht nur Borussia gegen die Serie und Borussia gegen Asamoah, das Pokalhalbfinale war vielmehr auch das vorletzte Spiel unter der Woche. Die Saison 2011/2012 neigte sich langsam dem Ende entgegen. In den nächsten Wochen würde es sich zeigen. Alles lief auf einen Showdown hinaus.

Es bestand die Chance, die Bayern mit drei Siegen zu demütigen oder mit einer oder zwei Niederlagen, eine tolle Saison ohne Titel zum Abschluß zu bringen. Wir hatten unter der Saison bewiesen, dass wir zu grün für Europa jedoch auch zu souverän für den Großteil der Liga waren. Nun standen uns vielleicht noch zwei Duelle ins Haus, die ein solides Fundament für die nächste Champions League-Saison legen konnten.

Doch davor mussten wir erst Fürth, die Bayern erst Gladbach schlagen. Wer hatte schon gedacht, dass Gladbach sich so aus dem Dreck ziehen würde. Alle Zutaten eines Einbruchs hatten sie bereits vor sich ausgebreitet, als sie in der 88.Minute in Leverkusen mindestens den vierten Platz zementierten. Nun war es an ihnen, die Bayern wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen.

Ich traute es ihnen unbedingt zu. Aber das stand nach unserem Fürth-Spiel. Für die Unaufsteigbaren sah es nun auch in der Liga gut aus. Sie hatten in diesem Jahr in der Tat die Möglichkeit, den Aufstieg zu schaffen. Sie waren in einer ganz ähnlichen Situation. Sie konnten alles gewinnen, sie konnten aber noch alles verspielen. Niemand würde sich gerne an eine Saison mit einem Halbfinaleinzug und einem erneut verpassten Aufstieg erinnern.

All diese Überlegungen lenkten mich ein wenig von meinem Unmut ab. Natürlich, der Verein hatte sich jetzt zum Banner geäußert, ihn scharf verurteilt, doch es blieb ein fader Beigeschmack. Scheinbar war die Angst vor den Verursachern der Unruhe groß. Die Borussia-Fanmagazine versteckten sich hinter Redaktions-Kennungen (Die Kirsche) oder hinter mir unbekannten Namen (schwatzgelb). Irgendwas lief da gründlich schief und bedurfte einer Aufarbeitung.

Wenn die eigenen Fans beim Kritiküben sich nicht einmal mehr trauen, ihren Namen unter die entsprechenden Artikel zu setzten, war die falsche Seite auf der Siegerstraße. Sie missbrauchten den Fußball für ihre Sandkastenspielen und verbreiteten dabei scheinbar noch Angst & Schrecken. Ich nahm mir vor, an der Sache dran zu bleiben. Sie war für mich noch lange nicht ausgestanden.

Doch vorher blickte ich auf den Kalender. Frühlingsbeginn. Jetzt immer am 20.03. Und wie immer feierte ich den Frühlingsbeginn mit weit aufgerissen Fenstern und No Protection on the stereo. Jeder Mensch hatte seine liebgewonnenen Rituale. Dies war beinahe mein letztes, mir verbliebenes Ritual. Wenn der Frühling kam und hatte ich noch so laut gegen die ersten Sonnenstrahlen angeredet, legte ich Massive Attack vs The Mad Professor auf.

Ein Jahrhundertwerk. Drunter ging es nicht. Am Abend musste es nicht unbedingt auf ein Jahrhundertspiel hinauslaufen, ein einfacher Sieg würde mir schon langen. Es würde so kommen, da war ich mir sicher. In Englischen Wochen, stellte ich fest, blieb kaum Zeit für andere Dinge. Ich freute mich bereits wieder auf den anstehenden Herbst, nahm mir aber vor jetzt erst einmal die letzten 10 Spiele unserer Saison zu genießen.