Wie schlafe ich hier unten? Schlafen wir überhaupt? Ja, wir schlafen, darf ich dann irgendwann feststellen. Meine ohnehin nur geringste Hoffnung auf Schlaf in meinem Hotelbett muss ich zwar aufgeben, dafür aber ist in der rechten Seitenwand eine geheime Tür eingelassen. Dahinter befindet sich ein Aufenthaltsraum, wieder mit einer dicken Panzerglasscheibe linker Hand. Auch dort an der algenüberzogenen Scheibe liegt aquariumgleich der Jezioro Nidzkie. Im Raum selbst befinden sich zwei Betten, ein Sofasessel und rechter Hand eine weitere dicke in den Beton eingelassen Stahltür. Wie komm ich hier nur raus und komm ich hier jemals wieder raus, frage ich mich.

Ich bemerke den Kühlschrank, öffne ihn. Haufenweise Wasserflaschen, ein paar vereinzelte Softdrinks. Ich nehme mir eine der Wasserflaschen und leere sie mit einem Zug. „4, 8, 15, 16, 23, 42 – links neben der Tür befindet sich ein kleines Board, dort gibst Du die Nummer ein, dahinter gibt es eine Dusche und eine Toilette. Schlaf gut, Dietfried D.“, ruft Piotr mir zu. Ich gebe die Zahlen ein, die Tür öffnet sich ganz langsam. „But you’ve gotta make your own kind of music. Sing your own special song. Make your own kind of music. Even if nobody else sings along. You’re gonna be nowhere. The loneliest kind of lonely. It may be rough going, just to do your thing is the hardest thing to do.” Eine spät 60er-Melodie auf Endlosschleife. Ich schaue mich in dem Raum um, kann keine Lautsprecher ausmachen, auch nicht definieren aus welcher Richtung die Musik kommt. Ich springe unter die Dusche, versuche mit meinem eigenen Gesang den der dicken Dame zu übertönen. Und auch wenn ich „Don’t Want To Know If You Are Lonely“ so laut und so gut wie möglich singe, es will mir einfach nicht gelingen. Die Dame gewinnt gegen die Herren und meine Gedanken schweifen wieder an die Oberfläche, an das sandige Ufer des Jezioro Nidzkie. Wie bin ich hier hergekommen und wie, das ist die dringendste aller Fragen, wie komm ich hier wieder raus?

Ich schlafe den traumlosen Schlaf der bis zur Unendlichkeit Erschöpften. Als ich aufwache, hat sich nichts getan, noch immer scheint ein karges Neonlicht, noch immer bewegen sich die Fische in aller Ruhe in Richtung Scheibe und wieder weg. Sie führen ein erstaunliches Leben, denke ich. Ich gebe erneut die Zahlenkombination ein, mache mich frisch und gehe zurück in den Schaltraum. „Dembowski, gut, dass Du kommst. Wir haben auf Dich gewartet. Kurz zur Geschichte des Schwans. Wir haben diese Station 2005 installiert. Erst war es nur ein Rückzugsort für uns, jetzt aber leiten wir unsere Geschäfte von hier. Da hat mein Meeresbiologiestudium natürlich große Vorteile. Wir haben hier ideale Wasserverhältnisse, wir müssen nicht tief unter die Wasseroberfläche gehen und werden doch nie entdeckt werden. Hierhin kommt höchstens mal ein Zander, aber der kann eben nicht sprechen. Tomasz ist momentan oben an der Oberfläche. Sonst werden die Gäste irgendwann ausbleiben, das können wir uns nicht erlauben. Die Einnahmen des Hotels fließen zum Großteil in die Instandhaltung dieser Anlage. Wir können von hier unten die großen Dinge besser überblicken und sie zumindest steuern. Dabei ist mir vor einiger Zeit eine Veränderung aufgefallen, die Dich sicher interessieren wird, die Dir jedoch erst einmal, und heute ist erst einmal, noch nicht viel bringen wird. Du wirst Dich beweisen müssen.“

Piotr erklärt mir meine heutige Aufgabe, ich solle einen Film schauen, dann Musik hören, dann wieder den Film schauen und die Musik laufen lassen. Er weist mich in die Technik ein, erklärt mir die Tonspuren und wie ich letztendlich die Musik über den Film lege. Ich solle die Veränderungen zumindest skizzieren, sagt er und weist mir einen Arbeitsplatz zu. Der Film beginnt. Didi ist zwei Menschen. Herr Immer und Herr Koob, beide sehen sich zum Verwechseln ähnlich und haben doch die unterschiedlichsten Lebenswege. Koob soll Immer ersetzten, damit dieser, also Immer, für ein paar Tage mit seiner Geliebten dem Alltagsstress entfliehen kann. Natürlich gehen die Dinge schief und es entwickelt sich eine schlechte Verwechslungskomödie mit mauen Gags, die im Dauerfeuer auf mich abgeschossen werden. Die Kneipe explodiert, und ich frage mich, was wohl gerade in meiner Kneipe passiert und ob sich mich bereits vermissen. Der Film endet. Die Welt ist gerettet oder zumindest ist es das, was ich als die Moral hinter diesem Machwerk ansehe. Auf den Kopfhörern läuft nun die 7 Nation Army und ich stutze. Ist das nicht das sich durch den Film ziehende Thema? Ich rufe Piotr. Er lächelt und sagt: „Dir fällt es also auch auf. Tomasz hält die Rechte an dem Soundtrack. Wir arbeiten gerade an einer Klage. Das ist ein Millionending, ich möchte, dass Du in dem Prozess als unabhängiger Gutachter auftrittst. Alles weitere werde ich Dir bei Gelegenheit erklärten. Good job, Dembowski!“