Walpurgisnacht. Was hatte man mir nicht alles über diese Nacht der Berliner Nächte erzählt. „Dembowski, wenn Du mal wieder einen richtigen Fall brauchst, nicht immer nur über die Transferpolitik der Borussen nachdenken willst, mach Dich auf den Weg in den Mauerpark“, hatte Sybille mir am Telefon erzählt. Wir telefonierten jetzt öfter. Sie hatte einen an der Klatsche, aber war auf dem Weg der Besserung und somit aus der Ranch. „Vielleicht….“, ich wollte diesen Gedanken erst gar nicht weiterdenken. Aber sie war schon eine großartige Frau, wie sie, die sie einen an der Klatsche hatte, mir vertraute, und mir Geschichten aus ihrem Leben, was immer ein anderes Leben war, erzählte. Es musste bislang wahnsinnig spannend gewesen sein. Manchmal dachte ich jetzt an Sybille und nicht mehr an Dörte. Das verwunderte und erstaunte mich. Aber so war es nun mal. Mein Liebe, die dem Ballspielverein galt und immer auch Dörte gegolten hatte, verteilte sich langsam um. Was auch immer. Wichtig war nur die Walpurgisnachtinforamtion.

Vor Jahren war ich in der Schwedter Straße einmal in einen Kessel geraten, aber als sie mich dann als Kollegen ausgemacht hatten, war ich ohne Probleme wieder rausgekommen und hatte die Polizisten damals mit ein paar Informationen versorgt. So wie es sich als Doppelagent eben gehörte. Doch jetzt hatte ich mich gewandelt, und war nicht auf Krawall und nicht auf Denunziatentum aus, sondern auf der Suche nach Unterhaltung und Ablenkung. Der Mauerpark sollte es also sein. Im Discounter zog ich mir zwanzig PET-Flaschen Pils, legte diese zu der Stange Ernte, befeuerte meinen Unternehmungshass mit Born Dead, erfand ein paar neue Zeilen wie „Born Dörte, Born Amok, Born Dead!“ und ging schlußendlich gut angeheiert mit ein paar weiteren Kronen-Flaschen im Jutebeutel los. Bereits am Schwedter Steg aber die erste Enttäuschung. Eine Wanne versperrte den Zugang. Und auch meine Verhandlungen mit dem Einsatzleiter waren nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. „Der Dembowksi. Habenwe schon gehört. Aber dit is auch für sie. Sie haben hier nicht zu stehen!“, sprach dieser und drehte sich seinen gelangweilten Kollegen zu, die den Ausblick in Richtung Stadt genossen.

Wieder zurück. Dembowski, Meister der Schleichwege. Hinterm Gleimtunnel lauerte die nächste Enttäuschung. „Der Dembowski. Wurden se schon anjekündigt. Aber dit is hier wie da oben, nüscht?“ Ich trottete weiter, jetzt bereits beim vierten Bier und nicht nur von den stoischen Polizisten genervt. Sie zogen mit ihren Kinderwagen und Prosecco-Plastikflaschen über die Bernauer Straße in Richtung Mauerpark. Ich stand da und schüttelte mit dem Kopf. Schüttelte die Bierflaschen, schaute auf die freundlichen Menschen, die um den abgesperrten Mauerpark Schlange standen, verspritzte Bier und zimmerte eine der Flaschen auf den Radweg. Bambule, Randale, Dembowski klaut die Schale! Früher war alles besser, hör nicht auf mit früher. Damals war es so viel besser. Solange Dietfried Dembowski ermittelt, solange bin ich ein Fan! „Hörnse doch ma uff. Hier is Fahrradweg!“, wollte mir jemand erklären. Ich war voller Wut, holte mein letzte Kronen-Flasche aus dem Jute-Beutel, ließ sie auf dem Boden zerschellen, schmiss den Jute-Beutel in Richtung Naseweis mit Kinderwagen und schlich davon.

Zurück im Kiez legte ich Busch auf und feierte in den Mai hinein. Wenn ich Flaschen werfe, dann werfe ich richtig und wenn ich den Mai feier, ist Busch dabei. Drum links zwei drei, wo dein Platz Genosse ist. Reih Dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil Du auch ein Arbeiter. Und weil der Mensch ein Mensch ist, hat er Stiefel im Gesicht nicht gern. Busch und ich. Davon träumte ich. Dembowski, der Widerstandskämpfer, der, der die Internationale vor dem Aufstehen singt und mit dem Einheitsfrontlied für die Rechte der Arbeiterklasse kämpft. Sybille informierte ich, dass es sich bei uns wohl um ein Missverständnis handelte, Komaroff schrieb, dass wir jetzt kämpfen mussten und mein Bier war mir heilig.

Ich wollte unter mir keinen Sklaven sehen, und über mir keinen Herrn. Ich war Dembowski, der Arbeiter an einer längst vergessenen Front. Ich war der Prolet, der sich selbst befreien musste und verdammt noch einmal, ich war nach dem 14. Bier der Nacht auf einem verdammt guten Weg. Als die Polizei klingelte, stellte ich mich schlafend. Als sie meine Tür eintreten wollten, öffnete ich sie und sie stürzten herein. Ich erklärte ihnen, dass es mein gutes Recht war, meinen Rausch auszuschlafen und ja, die Schraudershaus nervte mich auch mit ihren Kommunistenliedern. Als die Polizisten abzogen, warf ich ihnen ein paar Flaschen hinterher und stellte mich mit einem Bengalo auf den Balkon. Der Soldiner Kiez war jetzt hell erleuchtet und ich schrie das „nicht mehr“ in den Moorsoldaten in die Walpurgisnacht. Bambule, Randale, bald klau ich dann die Schale! Und weil der Ermittler ein Ermittler ist, drum braucht er Ermittlungen, bitte sehr!