So langsam normalisierte sich meine Laune wieder. Wollte ich gestern noch die Abreise planen, so gelang es mir heute, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. So wie es mir immer gelungen war. Die schlechte Laune fraß ich wieder in mich hinein und meine Gesichtszüge wurden in aller Stille und voller Routine vom Ärger zerschossen. Dembowski war zurück und es gab einen triftigen Grund dafür.

Es kotzte mich einfach an, was die Menschen da draußen machten. Kein bahnbrechenden Erkenntnisse, zweifelsohne, und doch ein Nebelschweif am Altweibersommerhimmel, der mich für einen kurzen Moment endlich mal wieder so richtig aus der Spur warf. Gestern noch hatten sie da draußen vor der Tür und zuvorderst natürlich Kleppo mit dem armen Ralle gefühlt. Ein armer Kerl, der sich der Öffentlichkeit stellte und sein Problem in aller Welt ausbreitete. Respekt, sagten sie. Respekt, Ralle! Sie hatten nicht bedacht, dass nicht Ralle, sondern der Vereinsarzt aus dem Nähkästchen geplaudert hatte. Der Protagonist war untergetaucht und tat sicher auch gut daran. Bei all der Heuchlerei um ihn herum, war ihm sicherlich speiübel geworden. Vielleicht, nach einer durchschlafenen Nacht, hatte er sogar mal wieder Hunger bekommen. Der Magen war jetzt mit Sicherheit leer und auch ich kotzte. Ralle war mir egal, und würde es mir bleiben.

Aber nach Enke, my arse! Kleppo hatte es immer noch nicht verstanden, und belästigte mich weiter. Sogar Reiser ließ mal wieder von sich hören. Er wollte meine Meinung hören und als ich ihm keine zufriedenstellende Antwort gab, spulte er wieder sein “ich mach Dich fertig, warte ab!”-Programm runter. In der Tretmühle war ich Jahre zuvor gewesen, die Drohungen perlten wieder an mir ab. Erneut verstand es Reiser nicht. Er legte nach: “Wenn ich mit Dir fertig bin, Dembowski, traust Du Dich nicht mehr aus Deiner verschissenen Erdgeschosswohnung!” “Aber nach Enke!” “Schnauze, Du bist nicht Enke! Du verlässt Deine Wohnung nie wieder” “Wenn die Welt da draußen Reiser bedeutet, muss ich Dir zustimmen.” Ich hörte noch das Schnaufen am anderen Ende der Leitung und dann zersplitterndes Glas. Da war wieder ein Handy draufgegangen.

Zum Glück gab es Amok noch, der nicht – wie 50% der von den Konstrukteuren Befragten glaubten -entführt worden war, sondern nach den Ermittlungen in Niedersachsen einfach weiter in Sachen Hoppgate ermittelte. “Ich könnte Amok laufen”, schrie er durchs Telefon, schmiss aber im Gegensatz zu Reiser, das Ding nicht gegen die Wand. Er briefte mich. Die Ermittlungen waren immer noch im Anfangsstadium, der schuldige Hausmeister tat weiter pflichtschuldig seinen Job und ansonsten wollte sich niemand dazu äußern. Er würde, so vergewisserte Amok mir, nun mit anderen Kalibern die verfahrene Kiste drehen. Und wenn es, betonte er, seine letzte Tat als Konstrukteur sei. Das würde, egal welche Maßnahmen Amok ergreift, natürlich nicht so kommen, aber das musste ich ihm nicht sagen. Er war in Fahrt und das sollte er bleiben. Das Risiko war sein Leben.

Ich blickte aus dem Fenster der Erdgeschosswohnung. Es war laut geworden. Ein paar Jungs aus dem Viertel sangen: “Das S zu dem B zu dem K” und auch wenn mir nicht klar war, was sie da machten und worüber sie sangen, hörte ich für eine Weile interessiert zu. Das Internetstudium konnte warten. Doch dann das: Breno zündet sein Haus an! Mir war klar, was zu tun war. Ich würde mir, wenn sich die Nachbarjungs draußen beruhigt hatten, und auch Kleppo sich wieder auf die Straße traute, sofort ein Meinungsbild abholen.

“Der Typ ist doch durchgeknallt. Brennt sein eigenes Haus ab. Der gehört für ewig weggesperrt. Wenn die Kinder da drin gewesen wären. Eingesperrt, gehört der Psycho. Soll ja auch in der Klapse gewesen sein. Ich sach ja immer: Vorsicht vor Psychos, Dembowski! Die brennen Dir am Ende noch Deine Bude ab.” Kleppo war voll in Fahrt. Ich orderte eine Stange Ernte und zwei Kästen Kronen. Am Wochenende werde ich das Haus nicht verlassen. Zum Glück fährt Redermann an die Autobahn.