Brankhorst war 45, wog rund 120 kg, kippte am Tag einen guten Kasten Auerhahn in sich hinein und war der liebenswerteste Mensch, der sich im Oderbruch rumtrieb. Im Dorf kümmerte er sich um dies und das ,war mal eine Scheibe zu Bruch gegangen, stand Brankhorst parat, gab es ein neue Tür zu zimmern, war Brankhorst am Start. Martin Brankhorst war geschieden, aus dieser Ehe stammte sein Sohn René, der mit 13 Jahren schon 130 kg auf die Waage brachte, und Kette rauchte. René machte mir ein wenig Angst, trug er doch stets eine P30 mit sich rum. Martin hatte ihm in seinem Garten einen kleinen Schießstand errichtet.
Meine Einwände, dass das doch alles wenig legal sei, wischte er mit einem “Dembowski, Du willst Ermittler sein? Da ballert man doch auch nur durch die Gegend!” beiseite, er nahm dabei stets einen kräftigen Schluck aus der Pulle und stellte mir einen Auerhahn hin. “Trink dit. Is jut”, sagte er dann, ich nahm die Flasche und trank. Es blieb mir keine Wahl. Neben dem Schießstand stand ein weiterer Schuppen, den er sich als Partyschuppen hergerichtet hatte. Dort lief auch die Bundesliga. Ihm war egal, was lief, solange ich ihm Gesellschaft leistete. “Da spielen doch nur noch Söldner! Früher…” Dann erzählte er von der alten DDR-Liga, während ich auf den Bildschirm starrte. Nach dem Spiel gingen wir vor die Tür, einmal rum, zur Fensterseite.
Die Fensterseite zeigte runter zum alten Oderarm. Ans Ufer hatte er sich eine Bank gestellt. “Hier,” erklärter er mir immer “sitze ich und denke nach. Die Fische beißen ohnehin nicht” Er erzählte dann davon, wie er manchmal zweifelte, seine Zweifel mit jedem Auerhahn mehr weniger spürte. “Weeßte, irgendwann is alles jut”, er klopfte mir dann mit der Hand auf den Rücken. Manchmal kam ich ins Stolpern, manchmal nahm ich noch einen Auerhahn und sagte: “Dörte eben, ich muss jetzt zurück.”
Dörte hatte sich daran gewöhnt. “Ich kann Dich nicht halten. Du warst schon so lange ruhig.“ Und so kam es, dass ich in den letzten Wochen viel Zeit bei Brankhorst verbrachte. Erst tranken wir Bier, dann saßen wir am Fluß und hin und wieder und dann immer häufiger sah ich dort die Spiele der Borussia. Brankhorst war es egal, solange er meckern konnte, solange es Auerhahn gab, schaute er sich die Spiele mit mir an.
„Die sind nervös. Die sind überspielt. Basketball! Die spielen 100 Spiele in der Woche und meckern nicht. Söldner! Und der Hummels da. Ein nervöser Typ. Der da auf der Außenseite, der kann nichts. Und der Pole vorne fällt nur noch“, erregte er sich nach dem Frankfurt-Spiel. Mir war es egal. Endlich wieder Fußball. Wenn auch in seltsamer Begleitung. Dass es in Dortmund nicht so rund lief, war auch nicht weiter schlimm.
„Das ist nichts weiter als die Magathisierung des Spiels, Brankhorst“, erklärte ich Martin zwischen zwei Bieren. „Es geht nur noch um Theorie. Es geht nur noch darum, ob sich die Viererkette optimal verschiebt, und ob die beiden Sechser tief und auf einer Linie stehen. Die neue Elite will, ach sie stellt sich über den Pöbel. Sie wollen sich das Spiel zurückholen. Das ist….“, sagte ich, zog an der Kippe, holte tief Luft „…ein Problem. Es wird zu einem Problem. Es ist nicht an uns, über die Laufwege eines Sechsers zu urteilen. Und wenn wir das Spiel besser verstehen, ändern wir doch nichts daran. Ich konzentriere mich weiter auf die Geschichten. Aber wie soll man das machen, wenn einem….“