Die Kurzfassung: Borussia Dortmund ist wieder Deutscher Meister! Die Langfassung: Ich lebe noch. Der Ermittler ist zurück im Kiez. Mit einem Plan.

Der Abend in der Kneipe war verschwommen. Diesmal war Redermann gekommen, Amok mit den Worten „Borussia spielt erst morgen“ ferngeblieben. Niemals, dachte ich, werden wir wieder gemeinsam an einer Theke sitzen und fand den Gedanken ziemlich traurig. Das aber war bereits der traurigste Moment des Wochenendes. Die Wirtin hatte mir ein Bett für die Nacht versprochen. Und ich es dankbar angenommen. Samstags war ich aufgewacht, Deutscher Meister wird nur der BVB singend. Was anderes kam mir an diesem Tag nicht in den Kopf, bis mir nackt aus der Dusche tretend die betagte Putzfrau des Hauses über den Weg lief. Ich unter die Decke, was von der Wirtin erzählt, sie „mach Dich frei“, ich „bin ich schon“, sie „nein, ich gehe erstmal Küche!“ und ich meinen exzellenten Körper mit der Bettdecke versteckend „was essen dann“. Der Ermittler und die Putzfrau blieb damit zum Glück ein weitestgehend ungeschriebenes Kapitel meiner Biografie.

Es ging an diesem Tag ohnehin nur um Borussia. Mit Redermann zog ich ins Kreuzviertel. Wir erinnerten uns an Gladbach 2011. Noch einmal tischte ich ihm mein Meistershirt-Trauma auf. Und irgendwie hatte Redermann diesmal sogar Verständnis für mich. Zumindest als wir vor einer Kneipe im Kreuzviertel stehend die Verkäufer sahen. Kaum hatte Naldo für Bremen getroffen, schwärmten sie auf der Lindemannstraße aus und versuchten den bereits Siegestrunkenen vollkommen überteuerte Meistershirts zu verticken. Wir hatten nur ein spöttisches Lächeln für sie übrig. „Dembo, da wäre ich lieber Putzfrau und würde Dich nackt sehen wollen. Das Shirt ist ja an Häßlichkeit nicht zu überbieten!“, erklärte Redermann. Ich nickte, da ich wußte, was das bedeutete.

Es bedeutete auch: Wir hatten all unsere Verabredungen in der Stadt vergessen. Der Spieltag zog uns in seinen Bann. Langsam aber wurde mein größter Alptraum des Tages wahr. Bremen holte irgendwie einen Punkt gegen Bayern II und die Meisterschaft entschied sich im Kreuzviertel stehend. Ich hatte keinen Plan, was passieren würde. Ich wollte mir das auch nicht ausmalen, zwischen all den um die besten Plätze für die anwesenden Kamerateams buhlenden Fans Meister zu werden. Ich wollte es mir nicht ausmalen und als Ribery zum Glück traf, musste ich das auch nicht mehr. Unter der Brücke durch, auf zum Stadion. Die Zweifler hatten längst das Kommando übernommen. Überall ging es nur um die verpasste Meisterschaft. Einige rechneten mir noch schnell vor, wie wir die Meisterschaft jetzt komplett verspielt hatten. Ich hörte nicht zu. Mit Tunnelblick ins Stadion, 90 Minuten stehen und singen, die Stimme verlieren, Meister werden.

Das war der Plan und er ging auf. Als Perisic traf, wußte ich es bereits vorher und lag meinen Nachbarn schon Sekunden vor der Netzberührung in den Armen. Sie hatten keine Wahl. Sie jubelten mit. Bevor der Ball im Netz landete. Beim 2-0 war ich leider beschäftigt. Ich erklärte dem Ordner gerade, wie er die Jubelfeiern in meinem Block zu koordinieren hatte, damit auch der Ermittler, der ich ja war, was davon hatte. Er starrte mich aus desinteressierten Augen an, blickte an mir vorbei, sprang und das Stadion explodierte. 2-0. Ich sah Kagawa abdrehen, Klopp stolpern und mich in den Armen des Ordners wiederfindet. „Machen wir es so“, gab ich ihm gutgelaunt mit auf den Weg und ließ meinen Block hinter mir. Runter zu Nobby, und ein wenig quatschen. Soweit ich noch quatschen konnte.

Bei Nobby angekommen, bereitete Klopp gerade ein paar Auswechslungen vor. Götze sollte endlich wieder aufs Spielfeld, Nobby war den Tränen nah, er kam nicht mehr hinterher. Gerade noch in Berlin, jetzt schon wieder Doppelmeister. Die Zeit verstrich manchmal schneller. Jahrzehnte vergingen in Minuten. Und so wechselte Nobby dann „den Spieler mit die Nummer 7 ein“. Auf seiner Uhr waren gerade 23. Minuten vorüber. Es war egal. Und wir schlugen ab. Während Nobby jetzt die Tribüne mit den Worten „muss runter, muss auf den Platz. Dembowski, schenk mir die Schale im April“ verließ. Es reimte sich nicht, entsprach aber der Wahrheit. 

Die letzten Minuten des Spiels verstrichen, ich war mittlerweile unter der Haupttribüne, und dachte an zwei Menschen: Lukas Piszczek und Dörte. Es war mir klar, warum ich an Piszczek dachte, er war der Spieler des Jahres und meine Kommentar würde ihm gelten, aber warum sich Dörte immer wieder in meinen Kopf mogelte, erschloss sich mir nicht. Hatte ich mit ihr auch nach der Doppelmeisterschaft noch nicht abgeschlossen? Ich verschob diese eher traurigen Überlegungen auf einen späteren Zeitpunkt, rannte zum Schlußpfiff mit den Spielerfrauen auf den Platz, wurde bald, trotz Vorlage meines Ermittler-Ausweises schon nach Sekunden entfernt. Egal. Runter. Raus. In die Nacht. Durch die Nacht. Den Titel feiern.

Doch draußen regnete es und zwar stand ich dann neben Neven, als er seinen nun schon obligatorischen Tanz auf der Lindemann aufführte, doch ich hatte einen Plan, der jetzt doch noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen würde. Ich wollte, so überlegte ich es mir, am 05.05. mit der Schale in der Hand, „Bambule, Randale, Dembowski klaut die Schale“ singend vor der Süd stehen. Wie das klappen sollte? Ich hatte einen perfekten Plan. Neven signalisierte mir, dass er mich verstanden hatte. Für mich war der Abend vorbei. Noch schnell ein Bier bei der Wentraud, oder was von ihr übriggeblieben war. Vor dem Schlaf huldigte ich noch dem Spieler der Saison

Bambule, Randale! 
(dortmund / 22.04.2012) Als Lukas Piszczek das erste Mal im Borussia-Dress auflief, war das im linken Mittelfeld. Niemand hatte ihn auf der Rechnung. Er kam vom Absteiger und ist zwei Jahre später der beste Spieler der Liga. Die Loblieder werden auf andere Spieler gesungen, doch ohne Piszczek hätte es kein Derbysieg, keine Siegesserie, keine Doppelmeisterschaft gewesen. Der schüchterne Pole ist der Star einer Mannschaft ohne Stars. Er lässt auf seiner Seite nichts anbrennen. Er ist der Mann für die wichtigen Tore! Er ist Borussia! Voller Demut. Bodenständig. Immer solide, meist aber Motor der Vollgasborussen! Schmelzer und Großkreutz, Piszczek und Kuba.
Um diese Außenspieler beneidet Dortmund ganz Europa! Mit Götze und Perisic warten zwei Giganten auf ihren Einsatz und jetzt kommt auch noch Reus. Ist diese Borussia überhaupt zu stoppen? Es ist egal! Bambule, Randale, Dortmund hat die Schale. Das zählt! Wozu in der Zukunft leben, wenn die Gegenwart ein Traum ist? Unsere Vergangenheit ist Eure Zukunft ist unsere Gegenwart, sagte einst ein schlauer Mensch. In diesen Tagen treffen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einer großen Party in Dortmund! (dembowski / DerSamstag!)