Anstatt auf der Lama-Farm würde Dembowski die Tage bis zum Finale im Soldiner Kiez verbringen. Sonderlich schön war es dort nicht, musste der Ermittler feststellen. 
„Oh ja, schon halb da. Oh ja, zehren von einem Traum. Schnapp Dir die Hand, lass nicht los. Oh ja, zehren von einem Traum“. Dörte hatte sich einen Sport daraus gemacht, Lieder in ihre eigene Sprache zu übersetzen und – während sie die Farm mit ruhigem Blick durchschritt – in unfassbarer Lautstärke zu singen. Den Lamas schien es zu gefallen, die Hunden rannten ihr hinterher, nur Koi hatte sich mit mir in den hintersten Winkel des Gartenteichs (Koi), respektive Garten (ich) zurückgezogen. 
Würde Dörte wenigstens den alten Kürbis-Klassiker neu auflegen. Mit Gitarre und dem Banjo on my knees „Hey, bist Du auch aus Kürbis?“ den Sonnenuntergang und später, mit Wein, den Sonnenaufgang herbeisingen, das hätte was, dachte ich, mich in der Gartenecke versteckend, meine Hand an Koi, der mich aus erschrockenen Karpfenaugen anschaute und dem die Schallwellen scheinbar arg zusetzten. Ich konnte ihn nicht beruhigen. Dörte sang, und zwar mittlerweile „ihre Haare sind so ok Gold, ihre Lippen eine Versuchung, ihre Hände niemals kalt, sie hat Heike Makatsch Augen. Sie hört Musik und denkt nicht drüber nach, sie ist so klar wie der Schnee der Uckermark. Sie hat Heike Makatsch Augen.“ 
War ich jemals glücklicher? Gab es jemals einen perfekteren Moment? Dörte und die Lamas, ihre ruhigen Hände auf dem Rücken unserer Zukunft. Ihr Gesang, der die Farm mit Lebensfreude ausfüllte, und der Koi und mich in den Wahnsinn trieb. Noch kühlte ich meine Wunden, noch waren meine Gedanken nicht ganz frei von der hinterhältigen Attacke, die ich immerhin ohne größeren Schaden – sah ich von den blauen Flecken, dem dicken Auge, der verlorenen Kappe, den schmerzenden Rippen ab – überstanden hatte. Aber doch war mir am Gartenteich sitzend klargeworden, dass ich die Farm für die nächsten Wochen verlassen musste, um nicht nur mein Glück zu testen, sondern auch um mein Glück zu finden.
Das mit den Wembley-Tickets hatte doch noch geklappt, einen Ermittler ließ man nicht im Stich. Und so musste ich notgedrungen, und war ich jemals glücklicher als in diesem Moment der größten Not?, zurück in die Stadt. Am Samstag schaute ich mit einem Auge auf das Spiel in Wolfsburg, plante jedoch bereits die große Sonderberichterstattung rund um das Finale. DerSamstag! würde ganz vorne dabei sein, da war ich mir sicher. Andere prahlten mit ihren Akkreditierungen, ihren London-Studios, doch wir waren schlank und schnell, wir waren nah dran am Geschehen und würden die kleinen Momente und die großen Triumphe einfangen. 
„Oh ja, schon halb da. Oh ja, zehren von einem Traum!“ Dörte hatte mir den Ohrwurm eingepflanzt und er verfolgte mich bis in die Kneipe, bis zum Perisic und Reus-Doppelpack. Das interessierte mich nicht einmal am Rande. Nächste Woche, klar, würde das anders sein. Das Projekt in die zweite Liga verabschieden, das war wichtig und für diesen letzten Bundesliga-Traum 2013 mussten die Borussen alles geben und sie würden das auch. 
Danach folgte Wembley und nicht nur DerSamstag! sollte in den Genuss meiner Berichterstattung kommen. Wir würden erstmals international gehen und mit einem Partnerblatt aus dem UK kooperieren. Der Durchbruch! Mit dem Titelgewinn. Und überhaupt. Warum soll ich da Angst haben? Vor Schlägertrupps in Berlin, vor respektvollen Titellangweilern aus München, vor dem Ende aller Tage. Ich hatte keine Angst, DerSamstag! würde Anfang der nächsten Wochen noch größer werden und Hoffenheim in der zweiten Liga landen. 
Nur Amok machte mir Sorgen, er würde das Finale in einem Krankenhausbett verfolgen müssen. Er hatte es mit seinen Ermittlungen zu weit getrieben und noch war nicht klar, ob dies ebenfalls mit der Boateng-Spur zu tun hatte. Redermann war drauf angesetzt, und er musste, bevor wir gemeinsam in Richtung England aufbrachen, Fakten schaffen. Sonst würde er ein Problem haben. So richtig war ich nicht da. So richtig würde ich nicht mehr da sein. Auf halbem Weg. Nicht loslassen. Zehren von einem Traum. Nie war ich glücklicher.