Amok macht sich wirklich gut. Als ich aufwachte aber, um bei der Wahrheit zu bleiben, stellten sich die Dinge erst einmal als weniger unkompliziert da. Ich war dann doch noch einmal vor die Tür gegangen, hatte mir Kleppo geschnappt und mit ihm ein paar Bier an der Bude getrunken. Danach schlenderte ich alleine runter zum Kanal. Am Santa Monika-Anleger treffen sie sich wieder alle. Die Jungs mit ihren aufgemotzten BMWs, die Taxifahrer, die sich dort für den weiteren Abend verabreden und Pläne schmieden, deren Existenz immer den geheimsten Ansatz hat. Gegenüber funkelte die Hafenliebe im Sonne-Regen-Mix des 2011er Sommers. Ein paar Jungs hatten ihre Anlage aufgedreht und versuchten die aufgetakelten Mädchen zu beeindrucken. Andere saßen auf den Stufen, tranken ihr Bier und rauchten still ihre Zigaretten.
Ich hatte mir von der letzten Trinkhalle vor der Autobahn noch einen Schwung Flaschen mitgebracht und gesellte mich zu denen, die auf den Stufen saßen. Wir schwiegen uns an, hin und wieder mockierten wir uns über die unpassende Musikbegleitung, doch meist war mein Blick auf das Hafenamt gerichtet. Ich beobachtete gerade ein Paar, dass sich den Abhang hinunter in Richtung Hafenliebe schob und fragte mich, ob sie in vier, vielleicht sogar in fünf Jahren noch so glücklich aussehen würden, als mich von hinten jemand an der Schulter berührte. Ich drehte mich um. Niemand da. Dabei war ich nur auf den dämlichen Schulter-Trick reingefallen. Jarik saß längst auf der anderen Seite. Ich hatte ihn lange nicht mehr getroffen, aber unten im Unterwasseraquarium hin und wieder von ihm gehört.
“Dembowski! Stichwort Tele Santana. Es gibt da Angebote und der Verein wird drüber nachdenken müssen. Es sind nicht nur Angebote. Es sind Angebote von den größten Vereinen dieser Erde und sie klotzen mal so richtige Angebote rein. Unfassbar!” Jarik, vielleicht 1.65 Meter groß, immer komplett in Jeans gekleidet, blickte mich an, schnappte sich ein Pils, kramte dann in seinen Taschen und reichte mir ein Fax. Die Summen dort verschlugen mir die Sprache. Fabregas? Das ich nicht lache. Tele Santana ist der Mann. Da boten die vier großen englischen Klubs alle zwischen 30 und 40 Millionen, da gab es ein Angebot von einem spanischen Emporkömmling, das sich ebenfalls nicht schlecht las. “Jarik! Gut Dich zu sehen, aber was soll das? Was sind das für Zahlen? Alles für Tele? Klar!” Doch Jarik stand auf, ich folgte ihm, er führte mich in Richtung Borsigplatz, doch kurz vorm Großen Boss bog er links in Richtung Hoeschwerke ab. Irgendwo dort, in einer der kleinen Gassen, kehrten wir in einen Hinterhof ein.
Ein Büro. Ein paar Computer, ein Faxgerät, ein Drucker, etliche Flaschen, überquellende Aschenbecher. Ehrlich: Ich hatte den Kollegen hier nicht eingeordnet. Jarik war mir noch als Bewohner Danzigs bekannt. Er erzählte mir ein wenig von seiner Vergangenheit, berichtete über seinen Werdegang, sein Zusammentreffen mit den Konstrukteuren. Er qualmte und qualmte. Ich bot ihm eine Ernte an, erzählte dabei auch von meinen Werbebemühungen. Er lachte mich aus. “Dass Du raus bist, ist doch klar. So ein Schrott. Spielerberater ist es. Schiebste einen vor und machst das.” Auf einem der Computer sah ich noch einmal all die Angebote. Ich müsse da nur drücken, erklärte mir Jarik und schon würden die Vereine miteinander in Kontakt treten. Ich blickte noch einmal genau hin, stand auf und konnte es nicht fassen. Jarik lebte in einer Computermanagerwelt. “Danke, Jarik! Ich komm morgen wieder. Hab noch ein Treffen mit Amok.”
Hatte ich nicht, aber Jarik konnte ich nicht länger ertragen. In der Erdgeschosswohnung erwartete ich trotzdem den Eingang der Ermittlungen. Amok war pünktlich. Sein Bericht las sich wie folgt:
Praktikumsbericht, östliche Nachbarstadt, 12.08.2011
Ich hatte die spontane Idee die alte Bosch Waschmaschiene (WFO 2841) von Omma aus der Garage zu holen und in den düsteren Keller zu verpflanzen. Schnell eine neue Energiesparlampe installiert und das Klingeschild an der Haustür auf “Amok-Waschsalon” geändert. Die Kapazitäten sind zwar aktuell noch begrenzt, aber erweiterbar. Das entscheidende dabei ist, dass hier heimlich auch sonntags gewaschen werden kann. Das ganze wird natürlich nicht wirklich öffentlich beworben, denn ich will ja keinen Ärger mit den Ämtern. Kredidkarten werden allerdings nicht akzeptiert. Dafür habe ich mir letzte Nacht in der Disco einfach der Klofrau ihr Sammelbecherchen geliehen. Kriegt sie zu gegebener Zeit natürlich wieder.
Guter, sehr guter Mann! Dieser Amok war längst mehr als ein Praktikant.