Herr Dembowski, was ist los?

Nicht viel, was? Ich sitze hier und höre alte Sandy Denny-Aufnahmen. Das berührt mich dieser Tage. Draußen wird es doch nicht mehr hell. Es ist Winter, lassen Sie sich von der Sonne nicht täuschen. Sie will Sie nur auf die Straße locken. Das mache ich nicht mehr mit.

Weil Sie es draußen nicht mehr aushalten?

Weil jeder öffentliche Raum ein Sarg ist.

Was ein Unsinn. Gehen Sie heute zur Hertha? Europapokal. Magische Nächte. Zum letzten Mal auch in Berlin.

Hören Sie mir auf mit den Hahoherrlichen und den jungen Wilden. Die haben es in Europa doch auch verkackt.

Und das stört Sie?

Es hat mich tief getroffen. Ich hatte mich auf weitere Europapokalabende im Olympiastadion gefreut. Jetzt aber gegen Östersund interessiert es mich schon nicht mehr.

Obwohl US-Boy Jonathan Klinsmann heute ein echter Herthaner wird?

Einer wie sein Opa. Der stammte aus Eberswalde. Das haben sie sicher bereits vergessen. Das Fantum hat hier eine Generation übersprungen. Mit J. Klinsmann jr wird der Hertha der Sprung ins Silicon Valley gelingen.

Und da wollen sie beim ersten Schritt nicht dabei sein?

Treffend formuliert. Es ist ein erster Schritt, weitere werden folgen. Heute höre ich Sandy Denny.

“My friend, I know you suffered. Although you are still young. Why was it you who’d not take help from anyone?“

Danach vielleicht Mazzy Star, wer weiß das schon. Mir ist nach Wärme. Ich will da nicht mehr raus. Ich will keine Menschen mehr sehen. Die, die ich auf dem Bildschirm sehe und die, die mir aus dem Radio entgegenbrüllen und die, die sich im Internet zu anderen Menschen machen – die kann ich nicht mehr sehen.

Und wenn Sie sie doch sehen?

Dann sehe ich die Borussia, diese Trümmertruppe, die sich innerhalb eines Jahres komplett erledigt hat. Die von äußeren Einflüssen und falschen Entscheidungen an den Rand des Abgrunds gestoßen wurde, die hinüberfallen wird, die in dieser Form nicht zu retten sein wird. Die sich, und das macht einen Verein aus, wieder befreien wird. Doch gerade ist das Wasser im Strom in Blut verwandelt. Das wird dauern. Eine schreckliche Phase. Wenn die Risse nicht mehr zu kitten sind, wenn sich das Blatt dreht, wenn alles vorbei ist, der point of no return aber längst überschritten. Das Warten auf den Aufschlag. Das ist nicht schön.

„Some hard times I have known, but I have always overcome them on my own.”

Wenn ich die Borussia nicht sehe, und stattdessen auf die Welt schaue, dann sehe ich Habsucht, dann sehe ich Zorn, dann sehe ich Verderben, dann sehe ich all die Dinge, die ich nicht sehen will. Ich ziehe mich vor der Welt zurück, um mich zu schützen.

Vor der Borussia wollen sie sich nicht schützen?

Nein. Aktuell ernähre ich mich von genau diesem Schmerz.

Ist der BVB noch zu retten?

Die Frage stellen Sie seit Wochen. Die Frage muss lauten: Will der BVB sich noch retten? Ich vermute nicht. Sie haben vielleicht einen Weg gefunden, der Internationalisierung zu entkommen. Vielleicht ist es auch nur ein Zucken, ein letztes Aufbäumen, aber da sind so viele strategische Fehler gemacht worden, das steckt mehr dahinter. Im Transferfenster sind die meisten BVB-Spieler mittlerweile Ladenhüter. Es wächst nichts mehr nach. Klar: Jammern auf hohem Niveau. Aber der BVB wird von der Plattform stürzen. Man muss das geplant haben. Schade nur, dass sie dazu die PR-Strategie zusammenbrechender Staaten, kollabierender Systeme, stürzender Politiker übernehmen und sich in ihrer Kommunikation der Realität komplett verweigern.

Ist das so?

Natürlich. Schauen Sie auf die Erfolgsmeldungen nach all den Niederlagen. Schauen Sie darauf, wie jetzt die Leistung gegen Real hochgejazzt wird, wie nicht gesehen wird, dass diese Niederlage durch die Arbeitsverweigerung der Titelverteidiger die größte Demütigung überhaupt war. Real Madrid hat nach 12 Minuten das Spielfeld verlassen. Dem BVB ist es dann nicht mehr gelungen, mehr als zwei Treffer zu erzielen, und musste sogar noch eins kassieren. Im Spiel 11 gegen 0. Das ist tragisch. Oder ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum baldigen Erfolg. Eine Mannschaftsitzung vor 10 Tagen lässt den Ballspielverein optimistisch in die Zukunft schauen. In den letzten Jahren hat der

Bald beginnt der Prozess gegen Sergej W.

Dass der Anschlag somit noch einmal in die öffentliche Wahrnehmung rückt, kommt natürlich total überraschend. Der BVB auch hier mit einer Kommunikationsmeisterleistung. Erst spielt er keine Rolle, dann ist er Hauptgrund für alles.

Das kann doch sein. Das sagen auch Experten.

Der BVB hätte das vor der Saison kommunizieren können. „Jemand wollte uns das Leben nehmen. Kann sein, dass wir damit Probleme haben. Wir spielen mal mit. Aber denkt dran.“ Ging aber scheinbar nicht. Für den BVB war es aus vielen Gründen ein furchtbares Jahr.

Und für die Bundesliga?

Auch. Bayern, neuerdings Europas größter Underdog, jetzt schon wieder Meister. Zum sechsten Mal in Folge. Tedesco ist Nagelsmann 2.017. Wird sich auch verbrauchen. Köln ist nicht dem Freiburger Modelle gefolgt. Hannover? Da habe ich komplett den Überblick verloren. Allerortens drücken sie auf den Panikbutton. Und die Leipziger lachen sich weiter schlapp, lassen sich für einen Sieg in sechs CL-Spielen feiern, mehr hätten sie nur mit weniger Einschränkungen erreichen können. Die Bundeliga ist die Lachnummer Europas.

Schlecht für die Internationalisierung. Was ist jetzt mit China?

Der DFB sucht eine/n Mitarbeiter/in für den Fachbereich Internationale Beziehungen in der Abteilung Internationale Beziehungen und strategische Projekte. Gewünscht sind relevante Berufserfahrungen im internationalen Kontext (internationale Beziehungen, Diplomatie, etc.) und natürlich sehr gute Kenntnisse der deutschen, der englischen und idealerweise der chinesischen oder einer weiteren Sprache in Wort und Schrift. Frau Wu rödelt ganz ordentlich. Ich habe das schon einmal gesagt: Nach der WM 2018, dann also, wenn Deutschland nicht mehr amtierender Weltmeister sein wird, wird auch hier alles zusammenbrechen.

Düster! Das können Sie alles aus Ihrer Wohnung hier in der Soldiner voraussagen?

Ja. Das ist natürlich alles möglich. Wir sind alle vernetzt. Ich kenne die Modelle. Wu versorgt mich.

Was macht Dörte?

Ich werde sie bald auf der Farm besuchen. Wir planen den Oderbruchdurchbruch. Koi freut sich bereits.

Werden wir von Ihnen jemals wieder außerhalb dieser Interviewreihe hören?

Ja. Das ist geplant.

Herr Dembowski, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Dafür nicht. Sandy Denny starb mit 31 Jahren. „We’re unprepared for life. The things we dislike in others we find in ourselves”, singt Mark Olson. Ich stimme ihm zu.