Herr Dembowski. Was ein herrlicher Tag. Und jetzt dürfen wir auch noch mit Ihnen sprechen. Wo erwischen wir Sie heute?

Wollen Sie mich eigentlich verarschen? Was soll an diesem Tag herrlich sein. Bislang maximal 4/10. Immerhin das Wetter spielt mit. Muss nicht vor die Tür. Hab vor ein paar Tagen ein altes Simon Joyner-Album entdeckt. Man hat ja doch immer mehr Musik als man hören kann. Und vergisst, was man besitzt und was es einem gegeben hat. Und dann hört man es, und man erinnert sich an diesen einen Moment, an die Situation, die alles verändert hat und in der Musik da war. Wie Simon Joyner mit The Cowardly Traveller Pays His Toll. Target als Dauerschleife. Das ist die Zeit des Jahres, das ist die Zeit vor den sieben langen Jahren des Untergangs.

 

Vor denen jetzt der Ballspielverein steht. Mislintat weg, Bosz auf der Abschussliste, in der Bundesliga innerhalb weniger Woche vom Titelkandidaten zum Abstiegskandidaten. Beginnen wir bei Mislintat. Sein Abgang, schrieben Sie bei den 11 Freunden, sei eine Katastrophe, die größte überhaupt. Wird der BVB überleben, Herr Dembowski?

What? Sie sind bekloppt! Glauben Sie da mit der Super-Katastrophe. Ich schreibe, was die Menschen hören wollen. Un die wollen hören, dass alles immer schlimmer wird. In ihrem Verein, in der Liga, und überhaupt. Die Menschen sehnen sich nach Abstürzen, solange es nicht ihre eigenen Abstürze sind. Sagen wir es so: Mislintats Abgang ist in der aktuellen Situation einfach sehr unangenehm für den Verein. Die alten Wunden werden wieder aufgerissen. An Tuchel und dem Umgang mit Tuchel wird der Verein noch lange zu knabbern haben.

 

Inwiefern?

Mislintats „ohne Tuchel wäre ich noch hier“-Interview haben Sie gelesen? Sagt er also. Im Gespräch mit dem kicker. Es habe seine Denke verändert. Auf einmal, seiner Freunde und Kollegen entrissen, ohne seinen natürlichen Jagdgrund, dem Fußballplatz, wurde es ihm klar, dass die Welt nicht in Kamen beginnt und in Dortmund endet, sondern dass es andere Orte gibt, dass man sein Fansein entkoppeln kann, dass man sein Leben nicht nur an einem Ort verbringen muss. Dazu das ganze Geld. Sie haben ihn überhäuft damit. Jetzt ist er The Diamond Eye, und wenn er seinen Job gut macht, wird er es bleiben, und wenn nicht, ist das halt so.

Viel schlimmer aber sind doch all die Dinge, die nie gesagt wurden. Schlimmer ist der Bruch mit der Liebe, ist der Gedanke, der in offiziellen Statements zurückgehalten wurde, der nach guter alter Dortmunder Taktik über andere Stellen lanciert wurde. Da hören wir von Ambitionslosigkeit, von unterschiedlichen Auffassungen über die sportliche Ausrichtung, und von schwindendem Vertrauen in das Diamantenauge. Er sei nur das Gesicht für die großartige Dortmunder Scoutingabteilung, heißt es. Er sei das Gesicht, aber nicht das Gehirn, sein Abgang zu verschmerzen. Das werden wir sehen, und wenn wir uns den Kader anschauen, müssen wir für alle Dortmunder hoffen, dass dieser durchschnittlichste aller Kader der vergangenen Jahren sich über die Ziellinie rettet und dann…

 

Wieder ein Umbruch?

Sieht so aus. Diesmal eventuell einer, der anders als in den Vorjahren nicht an die sportliche Substanz geht, sondern vielmehr den Kader für die Zukunft und vor allen Dingen Gegenwart ausrichtet. Das hat der Verein in den letzten Jahren schlichtweg vergessen: Eine große Zukunft erfordert in der Gegenwart zumindest ein wenig sportlichen Erfolg. Sonst rennen alle weg. Bevor also die Bausteine wegrennen, müssen andere gehen. Dann jammern aber die Fans. Aber nur bis sich der sportliche Erfolg einstellt. Ein Blick auf Tedescos formidable Schalker reicht. Erinnern Sie sich noch an Benedikt Höwedes?

Den hatte ich vergessen.

Weltmeister, Kapitän, unter Tedesco entmachtet. Mit Erfolg. Es geht um eine Philosophie, um einen Weg, um Antworten auf Fragen, die sich immer häufiger und immer schneller stellen. Auf dem Platz, neben dem Platz.

Gegen Schalke geht es kommende Wochenende. Heute gegen Tottenham. BVBTOT?

Sie auch? Lustiger Hashtag. Wird trenden. Können Sie sich dann ausdrucken und abheften. Das wird der Situation nicht gerecht. Tottenham kann Ausgangs- oder Endpunkt für Trainer Peter Bosz werden. Das Geburtstagskind kann die Welt noch retten, aber er muss jetzt anfangen, im Fernsehen, ich habe es gerade eingetreten, erzählen die Experten seit Tagen nur davon. Bosz muss dies, und Bosz muss das. Bosz muss gehen. Das wissen wir alle. Außer er gewinnt, und die Mannschaft versteht ihn auf einmal.

Trainieren die überhaupt noch?

Kann sein. Müsste man den Reporter fragen. Der fabulierte was von einem Neu-Anfang. Vielleicht geht es da auch um intensivsten Trainingseinheiten.

Was ist die Lösung?

Der BVB muss sich neu organisieren, muss Mislintats Abschied nutzen, um am kommenden Wochenende auf der JHV für den großen Knall zu sorgen. Watzke funktioniert nur noch in der Öffentlichkeit, aber jetzt muss Feldenkirchen wieder über Schulz schreiben, und wenn der BVB nicht aufpasst, wird Feldenkirchen in Zukunft auch nicht mehr über Watzke schreiben wollen. „Wir lagen im Vorzimmer der Pathologie“, erzählte er immer, und dann die Geschichte der Wiederbelebung. Doch die ist auserzählt. Und es gibt keine neuen Geschichten mehr. Die Menschen mögen Abstürze, aber noch viel lieber lassen sie sich abholen, und auf eine Reise zum Mond mitnehmen. Das kann der BVB nicht mehr bieten. Konstante Erfolge auch nicht. Was soll da kommen? Der BVB braucht Cramer/ Gruszecki. Das sagte ich aber bereits. Die Unruhe kommt von oben. Bosz ist nur ein Symptom, er ist nicht das Problem.

Problem. Problem. Problem. Chinas U20 macht auch Probleme.

Das stimmt. Jetzt hat sich sogar die chinesische Regierung eingeschaltet, wirft Deutschland und den Aktivisten beim Spiel TSV Schott gegen China Respektlosigkeit vor. Der DFB ist einigermaßen sprachlos, will noch einmal das Gespräch suchen. Wer sich dem Geld vor die Füße wirft, muss sich dem Geld unterwerfen. Wie ist dieser Vertrag, wie ist diese Vereinbarung zwischen China und dem DFB überhaupt aufgebaut. Das gilt es zu recherchieren, und nicht, wieviel Geld CR7 verdient. Könnte ich mich stundenlang aufregen, wie sich die besten Journalisten unserer Generation so ablenken lassen.

 

Hertha verliert gegen Gladbach, wird durchgereicht.

Hertha kann verlieren. Hertha darf verlieren. Hertha ist Berlin. Niemand will, dass von dieser Stadt jemals wieder ein Siegeszug ausgeht.

 

 

Blicken wir für einen Moment mal aufs DID POWER RANKING. Was auffällt. Burnley! Burnley? Wieso denn Burnley? Wird im Turf Moor auf einmal aufregender Fußball gespielt?

Mitnichten. Der Fußball in Englands Norden bleibt weiter wenig interessant. Aber darum geht es nicht. Die Dykes-Truppe gewinnt ihre Spiele jetzt sogar in Folge. 3x. Das erste Mal seit 74/75 unter Jimmy Adamson. Siege gegen Newcastle United, gegen Southampton, am Wochenende gegen Swansea. Diesmal sogar 2 Treffer. Dann wieder: Bei Swansea stand Renato Sanches in der Anfangsformation. Erinnern Sie sich noch an den? Größtes Talent aller Zeiten. Kam für €100 Millionen zu den Bayern. Ein Großteil aber nur Bonuszahlungen für den kommenden Weltfußballer. Das wird er niemals mehr werden. So wie Burnley auch nicht mehr spannend, aufregend werden wird. Fünf erzielte Tore im Turf Moor. Das ist nicht viel. Nur zwei kassiert. Noch weniger. Auswärts ist das kaum anders: 6:6 Tore. Der Sturm unter ferner liefen, die Abwehr eine der stabilsten in Europa. Auf Platz 6. Wer will das sehen? Entertainment Faktor 12.66. Unansehnlich. Aber erfolgreich. Soll es geben, Herr Thies.

 

Bekommt Gladbach im DID Power Ranking endlich die Hecking Love, die es schon seit langer Zeit verdiente?

18, 33, 50, 56, 47, 42, 36, 40, 32, 34, 27. Borussia Mönchengladbach steht für Mittelmaß. Dieter Hecking braucht keine Liebe, er braucht Erfolg, er braucht mehr als nur Glück, mehr als nur mal einen Sieg gegen Hertha BSC, aktuell noch vor Borussia Dortmund die Schießbude der Bundesliga. Wenn ich bei Dieter Hecking etwas erkenne, dann doch nur, dass er von einem alternden Stürmer abhängig ist. Das ist zu wenig. In der kommenden Woche geht es gegen Bayern München, von denen wir heute sicher noch hören werden. Candos Gegenwart gegen Jupps Vergangenheit. Und mal wieder ein Schritt zurück. Hören Sie mir auf mit Borussia Mönchengladbach.

 

Real Madrid stürzt aus den Top 10: Der Zauber von Cristiano scheint verflogen. Nicht mal Sie, Herr Dembowski, glauben noch an Los Blancos.

Natürlich glaube ich noch an den Zauber der Königlichen. Der, mein guter Herr, ist noch lange nicht verflogen. Haben Sie gelesen, dass CR7 in Nikosia aufgelauert wurde? Dass sich ein Fan als Reporter verkleidet hat? Mit Kamera, mit Ausweis. Nur um ein Bild des größten Fußballspielers unserer Zeit zu bekommen. Lassen Sie Barcelona doch weiter enteilen. Zidane hat den Titel-Hattrick in der Königsklasse im Visier. Mit Lappalien wie der spanischen Meisterschaft muss er sich da nicht rumschlagen, gerade wenn es gegen Atletico geht, die zwar weiterhin ohne Niederlage bleiben, aber doch sonst, Hand aufs Herz, eine Katastrophensaison spielen. Diego Simeone ist sogar hinter Peter Bosz. Bitte keine Fragen mehr. Ich ertrage das nicht.

 

So einfach kommen Sie uns nicht davon. Ein kurze Blick noch auf den FCB, dem ohne frisches Geld, nur mit einem Geniestreich der Vereinsführung alles gelang. Heynckes kehrt zurück und geht amS Saisonende wieder. Kommt dann Julian Nagelsmann?

Glauben Sie das wirklich? Wie verblendet muss man sein? Wie PR-hörig wollen Sie noch werden. Julian Nagelsmann ist nicht einmal mehr der beste junge Trainer der Liga. Das ist Schalkes Tedesco, der Hoffenheims Trainerschmiede rechtzeitig verlassen hat, um Erfahrung zu sammeln. Im Fußball. Nicht im Labor. Nagelsmann rennt mit seinem roten Mantel ins Stadion. Hier bin ich, Euer Julian. Ich möchte Bayern-Trainer werden. Dabei bricht Hoffenheim ein. Im letzten Jahr sind sie mit einer grundsoliden Truppe an ihre Grenzen gegangen. Sie hatten den Abstieg vermieden, sich in einen Rausch gespielt, waren eine Einheit. All das zerbricht. Das sind die Mechanismen, die dich auch im Labor einholen. Der Trainer ist gut, aber er ist auch star-struck. Er würde sich am Tage seines Amtsantritts ein Trikot von den Stars der Bayern unterschreiben lassen, und dann erstmal für ein paar Tage damit verbringen, dieses Trikot anzustarren. Thomas Tuchel wird der neue Bayern-Trainer. Er wird sich mit Hummels einigen. Thomas Tuchel wird erneut beweisen, dass er Guardiolas wahrer Erbe ist.

Klasse! Tolles Statement. Herr Dembowski, einen schönen Tag noch.

Hab ich hoffentlich nicht. Ich höre jetzt Talk Talk.