Wir treffen Dietfried Dembowski an einem geheimen Ort nahe des Mittellandkanals. Es ist still geworden um ihn. Seine Stimme wurde nicht vermisst. Wir wollen ihn trotzdem zu Wort kommen lassen. Erst einmal aber hören wir Primal Scream.
Hallo Herr Dembowski! Wo waren Sie eigentlich die ganze Zeit?
Was ist das für eine Frage. Ich muss mich Ihnen gegenüber nicht rechtfertigen.
Hat Ihr Schweigen eventuell mit dem Formanstieg der Borussia zu tun?
Erklären Sie mir diese Frage!
Sie benötigen Krisen wie Veganer eine Ration Tofu zum Braten.
Was läuft bei Ihnen eigentlich falsch? Ich versuche es mal sachlich: Der BVB hat im Winter alles richtig gemacht. Mit Can und Haaland den Kader perfekt ergänzt und jetzt läuft es langsam. Für die Meisterschaft wird das zu spät sein und die Krise, von der sie sagen, dass ich ohne sie nicht könne, bleibt eine Niederlage entfernt. Bis dahin aber dürfe die Dortmunder träumen und sich an einer der besten Offensivreihen der Vereinsgeschichte erfreuen. Nach der 3:4 Niederlage in Leverkusen orientiert sich das Team an Favres weisen Worten. Der Schweizer sagte nach dem 2:0 Erfolg in Bremen folgendes: „Es ist für alle Mannschaften der Welt so: Wenn die Stürmer und Flügelspieler nicht arbeiten, du kannst nicht. Das ist logisch. Jeder weiß das. Es ist sehr, sehr wichtig!“ Angetrieben von Can passiert das jetzt. Aber wissen Sie, was der eigentliche Grund für den Aufschwung ist?
Nein. Sie werden es mir sicher bald erzählen!
Das waren die überwältigenden Choreos in den Spielen gegen Frankfurt und Paris. Der BVB und Favre, der ja massiv unter Druck stand, bekommen dank der Tribünen die Kurve. Seither wird Fußball auch wieder gearbeitet. Aber natürlich ist das alles noch lange nicht belastbar. Dafür ist das Gebilde zu fragil.
Fragil bleibt auch das Berliner Gebilde rund um Investor Lars Windhorst.
Dort liegt es für mich auf der Hand, dass er sich für sein Invest einen anderen Weg wählen wird. Die Tage von Sportvorstand Michael Preetz dürften gezählt sein. Zu viele Fehlschlägen in der Besetzung des Trainerpostens. Wenn er auch Nouri nicht zu verantworten hat, so wollte er Klinsmann, obwohl er nach eigener Aussage von dessen Allmachtsphantasien wusste. So installierte er Covic und schoß Dardai, den Glücksgriff der Preetz-Jahre ab. Sportlich wird man sich irgendwie retten müssen und dann beginnt in Berlin das große Stühlerücken. Es würde mich nicht wundern, wenn Klinsmann bereits im Sommer zurückkäme und dann den Posten besetzt, den er immer haben wollte.
Eine gewagte These!
Das stimmt.
Themenwechsel: Am vergangenen Spieltag bestimmten die „sogenannten Fans“ erneut die Schlagzeilen.
Das hat mir auch sehr gut gefallen. All die Banner gegen den rechten Terror, die Schweigeminuten, die „Nazis Raus“-Rufe. Aber Schlagzeilen? Das wurde gerne mitgenommen. Schade eigentlich. Es reichte bis runter in den Amateursport. In Berlin liefen Mannschaften mit Solidaritätsbannern auf. Sie positionierten sich gegen den rechten Terror, der uns schon lange erreicht hat und der immer greifbarer wird. Vom Fußball können positive Signale ausgehen, mehr nicht, aber die kamen ja.
Alles schön und gut, Herr Dembowski! Aber die Gladbacher nahmen Dietmar Hopp erneut ins Fadenkreuz. DFB-Präsident Fritz Keller nannte es einen versteckten Mordaufruf. Hoffenheim-Keeper Baumann auch. Trainer Schreuder wollte sogar das Spiel abbrechen. Schiedsrichter Brych unterbrach es zumindest.
„Wenn das Spiel nicht gefährdet ist, geht alles. Wir müssen akzeptieren, dass auch Ärger, Frust und die Geringschätzung des Gegners seinen Platz im Stadion haben. Wer damit nicht umgehen kann, sollte besser zu Hause bleiben“, schrieb dieser Tage Dr. Stefan Chatrath, der als Professor mit dem Schwerpunkt Sportmarketing, Ticketing und Ethik im Sportmanagement an der University of Applied Scienes Europe lehrt. Leider sprach er da jedoch nicht über die Causa Hopp, sondern über die rassistischen Ausfälle gegenüber Hertha-Spieler Jordan Torunarigha. Er sagte auch: „Fußballer, die professionell spielen, müssen Beleidigungen aushalten, das gehört dazu.“
Sie lenken ab! Wir reden hier über Hopp. Wir haben Sie schon lange im Visier, Herr Dembowski!
Es ist nicht meine Aufgabe, einem Mäzen das Wort zu reden. Das übernehmen doch die großen Medienhäuser bereits, die, so wirkt es zumindest, jedes Maß verloren haben. Wir können gerne über die Art des Protests reden, aber wir müssen hier nicht im vorauseilenden Gehorsam den Derailing-Strategien folgen. Natürlich ist es einfacher, über die „50 Hornochsen“ ein Urteil zu fällen und sich somit nicht der gesamtgesellschaftlichen Katastrophe Rassismus und Terror stellen zu müssen. Wir bleiben unkonkret. Wir können darauf verweisen, dass sich das eben nicht gehört, jemanden, wenn auch nur symbolisch, ins Fadenkreuz zu nehmen. Der Vorteil: Nicht wir sind im Fadenkreuz, sondern ein Mäzen, der für uns nicht greifbar ist und dadurch umso schützenswerter erscheint. Darüber wurde leider das positive Signale vergessen, dass der Fußball von der Allianz Arena bis zu den Kreissportplätzen sendete. Der Terror, die Gewalt, der Rassismus ist da.
Damit relativieren sie die Bedrohungen gegen Hopp und werfen alles in einen Topf, Herr Dembowski!
Wenn das Ihre Meinung ist, werden wir hier nicht mehr zusammenkommen.
Dann wenden wir uns den strunzdummen Frankfurter Fans zu.
Wieso waren die noch einmal dumm?
Sie boykottierten das Montagsspiel gegen Union Berlin. Deswegen wird sich die Eintracht vom Main in dieser Spielzeit nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren. Dabei werden die Montagsspiele ab 2021/2022 ohnehin abgeschafft.
Das nenne ich Haltung! Die wunderbar kreativen Frankfurter Proteste gegen diese Ansetzungen waren doch mitauschlaggebend für das Ende dieser unsäglichen Termine. Im Fernsehen gibt es nur noch ein Programm: Fußball 24 Stunden lang. Mir ist das zu viel. Über die Anreise der Fans haben wir da noch nicht geredet.
Die internationalen Wettbewerbe finden ebenfalls unter der Woche statt.
Was soll das für ein Argument sein?
Ein gutes!
Lassen wir es einfach.
Herr Dembowski, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Dafür nicht.