Hallo, Herr Dembowski! Die Winterpause ist vorbei. Ihr Fazit?

Lewandowski ist ein Weltklasse-Spieler. Auf Dauer ist das zu wenig. Beim Spitzenreiter vermisse ich alles. Sie haben am Freitag einfach Glück gehabt. Das ist meine Erkenntnis. Es gab noch acht weitere Spiele. Vielleicht können wir auch über die reden?

Gerne. Der Ballspielverein gewinnt in Bremen. Bleibt Tuchel jetzt Trainer?

Wie habe ich Ihre Fragen vermisst. Ja. Tuchel bleibt Trainer. Das stand aber auch nicht zur Debatte. Aber die wenigen Zitatfetzen des ehemaligen Nationaltorhüters Weidenfeller verraten viel über das Innenleben der Mannschaft. Es sieht nicht gut aus. Wieso stellt Weide Ansprüche? Diese Frage sollten sie mal stellen, ich beantworte sie auch gerne so. Er will einen Streit mit Tuchel provozieren. Er sieht sich in einer durchaus starken Position. Die lokale Presse hat das dann runtergespielt, aber Sie können sich nicht vorstellen, wie heiß diese Aussagen sind. Das wird in Dortmund diskutiert. Das ist das Pulverfass.

Und sportlich?

Hat sich doch nichts geändert. Ein dreckiger Sieg. 2:1 gegen einen Abstiegskandidaten. Glücklich erspielt. Defensiv ist da immer noch keine Struktur zu erkennen, der junge Weigl befindet sich in einer Dauerkrise. Er ist überfordert. Und Tuchel stellt Castro und Kagawa vor ihn. Das ist nicht erfinderisch, das ist nicht revolutionär. Das zeigt nur Dortmunds Achsenprobleme. Dass Tuchel danach Götzes Abwesenheit mit Pulisicis Einsatz begründet, passt in das Bild der Dortmunder. Es läuft nicht, es passt nicht. Aber die individuelle Klasse der Spieler reicht in dieser Liga natürlich. Sie sind auf Kurs.

Und jetzt kommt auch noch Isak, der neue Ibrahimovic.

Den Transfer kann ich abschließend noch nicht beurteilen. Aber das Gütesiegel Dortmund veredelt die Ablösesumme. Sein Transferwert hat sich jetzt bereits verdoppelt. Da kann der BVB keine Fehler machen. Aber es ist ein weiterer junger Spieler, ein weiterer unerfahrener Spieler. Er ist wie alle anderen Talente auch direkt und schnell, dazu höchst kreativ. Jedoch nur auf Allsvenska-Niveau. Wissen Sie….

Was denn?

Ich glaube, der BVB übertreibt. Über all die große Perspektive vergessen sie die Gegenwart. Ein gefährliches Spiel. Pulisic zum Beispiel verlängert nur um ein Jahr. Was ist das für ein Signal? Hoffnung macht da eigentlich nur, dass Perez und Watzke weiter an der gemeinsamen Zukunft basteln. Vor unseren Augen entwickelt sich der BVB zum Farmteam der Königlichen. Das Perez/Watzke-Abkommen, was natürlich nie offiziell bestätigt werden wird, verändert den europäischen Fußball grundlegend. Der BVB gibt keine Spieler mehr nach München ab. Real kann sich auf ganz hohem Niveau bedienen. Die Spieler wechseln aus dem schönsten Stadion Europas zum erfolgreichsten Verein des Kontinents. Das ist für alle verlockend. Und das Geld bleibt quasi in der Familie. Davon können beide Seiten profitieren. Der BVB bekommt junge, hungrige Spieler und verschachert sie dann für großes Geld nach Spanien. Aubameyang wird im Sommer erst der Anfang sein.

Der geht? Steht das fest.

Da lege ich mir gerne fest. Deal done!

Hertha und Frankfurt stolpern. Brechen die Überraschungsteams jetzt ein?

Hertha wird sich fangen, und auch in der Rückrunde eine gute Rolle spielen. Schauen Sie nur auf Pal Dardai. Er ist der ewige Trainer des Jahres. Ein Obersympath. Er will jetzt der böse Pal werden, sagt er, aber wie soll ich mir das vorstellen? Dardai kocht seine ungarische Fischsuppe zuhause auf der Terrasse überm offenen Feuer. Dazu ein Wein, hin und wieder eine Rinderhälfte aus der familieneigenen Zucht. So ein Mensch kann kein böser Mensch werden. Da kann er sich noch so bemühen. Frankfurt hingegen ist ohne Marco Fabian nur die Hälfte wert. Aber der Mexikaner fällt jetzt auf unbestimmte Zeit aus. Eine Entzündung im Lendenwirbelbereich. Das klingt nicht nur schmerzhaft, sondern auch verdammt hartnäckig. Mit Frankfurt können wir trotz Großmeister Kova nicht mehr rechnen. Das Team drehte sich um Fabian, und jetzt ist da nur noch Leere. Nächste Niederlage am Freitag. Da lege ich mich fest.

Da geht es nach Gelsenkirchen. Die mit Minusrekord und neuen Bierpreisen.

Sie legen das sehr tendenziös aus. Ich sage Guido Burgstaller. Der Österreicher kann Bälle lesen, die nicht einmal seine Mitspieler so spielen wollen. Er antizipiert die Fehler seiner Teamkameraden. Das hat er in Nürnberg gelernt, das wird er in Gelsenkirchen perfektionieren. Er ist der bisherige Wintertransfer des Jahres! Christian Heidel gehört für mich nach ganz oben. Da ändern auch die neuen Bierpreise nichts.

Dort aber steht Ralf Rangnick. Das zumindest schreibt das englische Magazin Four Four Two in seiner aktuellsten Ausgabe.

Ja. Das muss ich dann aber auch nicht weiter kommentieren. Das ist die Sicht der Engländer. Nicht meine.

Okay. Machen wir weiter. Rummenigge kündigt eine Revolution an.

Und das obwohl er kein Blut sehen kann, und Revolutionen doch immer blutig enden. Aber der Fußball ist in Gefahr. Und Rummenigge muss ihn verteidigen. Das macht er mit dem FC Bayern auch mal in Katar, startet dort unausweichliche Dialoge, verbessert die Menschenrechte. Dazu muss er nur auf seine Uhr blicken. Jetzt aber reicht es: Die FIFA will weiter Geld verdienen. Mit ihrer WM. Dabei sind es doch Kalles Spieler. Grindel schaut sich das an. Er kann dazu nicht sagen. Die DFL hat im deutschen Fußball längst die Macht übernommen. Das werden wir dann im Sommer auch sehen. Stichwort: Confed Cup.

Stichwort DID POWER RANKING. In Italien ist die Liga bereits entschieden?

Das sagen Sie! Juventus marschiert vorne, verliert mal ein Spiel, aber meist gewinnen sie. 80 Prozent aller Spiele. Das ist eine starke Bilanz. Blicken wir aber nach unten, dann sehen wir ein erschreckendes Bild. Crotone, Palermo, Pescara. Oder: 16,67%, 15,87% und 15%. Die sind verloren. Juve mit einem Minimalwert von 42,11%. Crotone mit einem Maximalwert von 56,14%, Palermo gar nur mit 53,51%. Die Rückrunde hat dort gerade begonnen. Empoli mit 33.33% auf 17. Das ist einfach erschreckend. Der Abstiegskampf ist entschieden. Wir wissen, was das in Italien bedeuten kann. Müssen wir nicht näher drauf eingehen.

Gibt es sonst noch interessante Geschichten?

Gibt es immer. Das ist natürlich eine bescheuerte Frage. Aber behalten Sie in den nächsten Wochen einmal Espanyol, Schalke und auch Metz im Blick. Das sind die großen Teams der Rückrunde. Leicesters dramatischer Absturz in Liga 2. Der fantastische Abstiegskampf in Frankreich. Valencias Wiederaufstehung. Diesmal versenken sie das U-Boot mit Treffern von Carlos Soler und Santi Mina. Das hat Substanz. Das ist die Comeback-Story des Jahres. Sie sind das spanische Wolfsburg.

Herr Dembowski, vielen Dank für das Gespräch. Haben wir was vergessen?

Ja. Alle sind jetzt so politisch. Was ich mir wünschen würde: Finden wir doch endlich einmal unsere eigene Sprache. Wir sollten wieder mit positiven Begriffen agieren. Wir sollten uns nicht mehr vor uns hertreiben lassen, und das durchschaubare Spiel mitspielen. Wir sollten im Fußball darauf verzichten, Geschichten zu erfinden. Wir sollten darauf verzichten, Behauptungen ungeprüft zu übernehmen. Das passiert viel zu selten. Der Fußball ist das Labor dieser Welt. Hier können wir unsere neuen Methoden testen. Wir sollten alle ehrlicher sein. Auch wenn das schmerzt.