Herr Dembowski, nach 11.Spieltagen treffen wir uns also wieder.
Die Welt braucht mich. Die Welt braucht eine Stimme der Vernunft. Das ist alternativlos. Ich, Dembowski, bin alternativlos.
Das wird sich zeigen. Der BVB gewinnt das Spitzenspiel der Liga.
Sie also auch? Sie unterschätzen Leipzig auch. Das Spitzenspiel der Liga fand in Leverkusen statt. Lösen Sie sich von Zuschauerzahlen, lösen Sie sich von der Tradition. Sie hat keine Zukunft. Das Spektakel in der Bay-Arena war einmalig.
Ich folge Ihnen da nur ungern, aber bleiben wir doch für einen Moment in Leverkusen. Was war daran ein Spitzenspiel? Das Spiel lebte von Fehlern.
Ohne Fehler keine Tore. Schmidts Hochgeschwindigkeitsfußball ist nicht perfekt, das gebe ich gerne zu. Doch er scheut kein Risiko, schickt seine Spieler nach vorne, will immer das nächste Tor und wenn es für den Gegner ist. So geschehen beim wunderbaren 2:2 Ausgleich. Ballverlust, handgestoppte 7.3 Sekunden Ballbesitz. Abschluß Forsberg. Ein Flatterball. Leno sieht da schlecht aus. Aber Fußball lebt von Fehlern, oder Eigentoren. Oder Fehlentscheidungen. Nicht aber von den Fans, die ihre Rolle überhöhen. Sie sind Beiwerk, sie sind ein schmückendes Element. Auf die können wir verzichten. Ich analysiere Spiele, und keine Choreographien. Wann hat das überhaupt angefangen?
Fans sind nur Beiwerk?
Ja. Ich war neulich erst in Warschau. Ein fantastisches Spiel. 3:3, ständig wechselte die Führung. Mal lag Madrid vorn, dann Legia. Und am Ende: Unentschieden. Ein paar Zuschauer hatten zwar ins Stadion gefunden, doch es zählte nur das Spiel, es zählten die Bewegungen auf dem Platz, die langen Seitenwechsel, das Verschieben, das kompakte Verteidigen, der plötzliche Tempowechsel. Real miut einer 4-2-4 Formation. Das hätte sich Zidane vor Zuschauern nie getraut. Aber das zählte. Ich habe die Zukunft gesehen, und da dominierte das Spiel und nicht der Zuschauer.
Aber ohne Zuschauer keine Umsätze. Das dürfte doch bekannt sein.
Vor dem Fernseher kann ich prima Merchandise bestellen. Stichwort: Second Screen. Vadis Odjidja-Ofoe trifft. Ich sehe auf einem Bildschirm noch die Wiederholung, auf meinem Tablet verfolge ich den Laufweg, den Passweg und auf dem Laptop bestelle ich mir sein Trikot. Ich bin als Zuschauer informierter, näher dran, und echter, wenn ich Teil der Onscreen-Experience werde. Deswegen: Leverkusen gegen Leipzig war das Spitzenspiel. Lassen Sie sich von Populisten nichts erzählen, achten Sie auf die Qualität. Diese kann man dem Grottenkick BVB vs FC Bayern München absprechen.
Inwiefern?
Der BVB trat jugendlich, erfolgshungrig, talentiert auf. Mit einer Mannschaft, die über 26 Jahre alt war. Dem Team fehlt ein Leader, eine echte Struktur. Dieses Team hat den Abgang von Mats Hummels immer noch nicht verschmerzt, und konnte nur gewinnen, indem sie auf schnelle Angriffe über Aubameyang gesetzt haben.
Aber das Tor fiel nach einem Ballgewinn tief in der Münchener Hälfte.
Zufall. Die wirkliche Chance des Spiels hatte Aubameyang später. Da lief er frei auf Manuel Neuer zu. Geschwindigkeit und kein Verstand. Das zeichnet diese durchschnittliche Dortmunder Mannschaft aus.
Und Bayern?
Bayern ohne Pep ist Bayern ohne Pep. Der Abgang des Übervaters der Ballbesitzbewegung hat ein riesiges Loch gerissen. Ancelotti, der Verwalter aller Spielstile, kann das nicht annähernd füllen. Mich würde nicht wundern, wenn Philipp Lahm die letzten Monate seiner aktiven Laufbahn als Spielertrainer um den Einzug in die Champions League kämpfen muss. Für die geht es jetzt gegen Leverkusen, und die sind dank Schmidts Powerfußball nicht nur nicht ausrechenbar, sondern unfassbar schwer zu bespielen. Noch vor Weihnachten verschwinden die Bayern aus dem oberen Tabellendrittel.
Am Freitag kehrt Uli Hoeneß zurück. Was kann er dem Verein noch geben?
In dieser Woche werden wir große Stücke über ihn lesen. Der kicker hat die Festwoche bereits mit einer rührseligen Homestory eröffnet. Hoeneß, geläutert, gibt fortan das reine Gewissen in den kalten Krisenzeiten. Aber es wird zur Verwerfungen kommen, innerhalb des Vereins wird der Internationalisierungskurs nicht mehr unumstritten sein. Rummenigge wird seine Macht nicht herschenken, Hoeneß ohne Macht nicht funktionieren. Spannend.
Kann Leipzig von diesem Machtkampf profitieren?
Nein. RB Leipzig ist dazu nicht in der Lage. Sie berauschen sich momentan an ihrem Erfolg. Daran werden sie ersticken. Auch in Ingolstadt ist Hasenhüttl in der zweiten Saisonhälfte eingebrochen. Die erste Niederlage wird den Absturz einläuten. Machen Sie sich da keine Sorgen. Leverkusen hingegen? Mein Titelkandidat. Sie müssen nur ihre Elfer verwandeln.
Nicht Nagelsmanns Hoffenheim?
Wer 2:2 gegen den HSV spielt, wer also nicht drei Punkte holt, braucht keine Ansprüche anmelden. Fragen Sie nach bei Schubert.
Wie macht sich die Hertha?
Pal Dardai ist der beste Trainer der Liga. Er lässt Männerfußball spielen, er kann Menschen führen. Bei Hertha steht die Position über dem Spieler. Ein Team ohne Stars. Ein Team ohne Eitelkeiten. Ein Team mit einem echten Leader. Hertha wird diese Saison in den Top4 abschließen. Danach kommt der neue Investor aus China, und danach ist alles möglich. Auch hier lässt sich übrigens meine These bestätigen. Fußball ohne Zuschauer ist auf Dauer erfolgreicher. Oder wann waren Sie das letzte Mal im Westend?
Pokalfinale, Pokalhalbfinale. Wenn dort Fußball gespielt wird.
Gehen Sie mal hin. Es lohnt sich. Nächste Woche kommt Mainz. Dürfte auch für Hagenberg-Scholz spannend sein. Mainz bringt den Weltfußballer mit. 40.000 Zuschauer, ein Weltfußballer und der DID! Did wäre doch was.
Try, fail, win. Ohne uns. Wie lange bleibt 50+1?
50+1 fällt vor Katar, 50+1 fällt, wenn die Superliga eingeführt wird. Anders wären die deutschen Vertreter nicht mehr wettbewerbsfähig. Die neue Bedrohung kommt aus Spanien, sagt Karl-Heinz Rummenigge, sagt auch Aki Watzke. Man versteht sich jetzt. Das ist wichtig. Die Liga muss sich geschlossen präsentieren. So ist auch das angebliche Titelrennen zu verstehen. Das brauchten wir jetzt. Das war alternativlos. Die Liga brauchte eine neue Geschichte, die Liga bekam eine neue Geschichte. Während nun Abgeordnete der Weltpresse Leipzig belagern, und sie dort den Fokus verlieren, planen Watzke und Rummenigge den Sprung in die Welt. Eine willkommenere Atempause konnte es nicht geben. Wir müssen jetzt nur auf Hoeneß aufpassen. Der kann den schönen Plan noch zerstören.
Herr Dembowski, Europa, die Welt! Sie sprechen die großen Themen an. Wo bleibt das DID POWER RANKING?
Damit haben wir uns lange genug zur Lachnummer der Kollegen gemacht. Wenn der Fußball nicht vergleichbar sein kann, dann sollen auch keine Zuschauer mehr kommen, dann ist er erfolgreicher.
Und sonst?
Es ist Krieg, ich schlafe wenig. Ich habe keine Angst vor der Zukunft. Wir müssen uns jetzt wehren. Fußball ist nicht mehr so wichtig. Aber er ist immer noch schön.