Herr Dembowski! Der BVB verliert mit 0:6 Toren. Gegen Bayern. Gegen den großen Rivalen der Jetztzeit! Sie schweigen dazu! Wieso?

Ich schweige nicht, ich antworte. Wenn ich gefragt werde, aber das ist immer seltener der Fall. Vielleicht haben die Menschen Angst vor mir?

Oder „die Menschen“ geben nichts auf Ihre Meinung. Wir fragen trotzdem. Was war am Wochenende los?

Mein Gott. Die Jungs haben verloren. Gegen Bayern, für die der BVB immer noch ein besonderer Gegner ist. Die gehen da vollmotiviert dran. Übertragung in 208 Ländern. Sogar Nordkorea soll interessiert gewesen sein. Dann passiert das eben. Zwei frühe Tore, beide höchst umstritten. Kein Selbstvertrauen, altbekannte Probleme im Mittelfeld. Diese Niederlage ist nicht das Ende der Welt, sie ist maximal ein Zeichen dafür, dass die Zeiten sich geändert haben.

Nochmal: Der BVB hat sich blamiert. Und die Bundesliga gleich mit.

Geht es noch eine Nummer größer? Der BVB hat unter seinen Möglichkeiten gespielt. Die Borussen aber sind in einer schwachen Liga weiter ein guter Kandidat für einen Champions-League-Platz. Dann muss mal sehen. Die Niederlage bei den Bayern wird langfristig viel mehr Schaden bei den Bayern ausrichten. Sie werden als Zerstörer der Liga gelten. Der Wind hat sich gedreht.

Im Sommer soll der Umbruch folgen.

Umbruch ist immer so ein großes Wort. Es wirkt gehetzt. Alle schauen immer auf kurzfristige Entwicklungen, nie auf langfristige Ideen. Das ist doch auch hier der Fall. Die Borussen schrumpfen sich gesund, indem sie Wachstum verkünden. Wir hängen immerzu in der Vergangenheit fest, erinnern uns an 2010 bis 2013, die große Zeit. An das Verschwinden der Euphorie, an Klopps Abgang, an Tuchels Intermezzo. Aber das sind doch bei so einem großen Verein nur Augenblicke.

Der BVB ist in diesem Augenblick zerrissen. Auch weil Klopp und Tuchel ihn immer noch auf die Erde drücken. Wird das jemals aufhören?

Klopp wird immer einer der großen Trainer der Vereinsgeschichte bleiben. Er ist nicht mehr da. Für Tuchel war Borussia nie mehr als eine Durchgangsstation. Er hätte seinen Vertrag niemals verlängert, und als er in die Defensive geraten ist, sein Ende kommen sah, hat er um die Fans und um die öffentliche Meinung geworben. Weit vor dem Anschlag. Das wird gerne, zu gerne, vergessen. Tuchel hatte keine Zukunft in Dortmund. Er wollte diese auch nicht. Jetzt ist er Geschichte. Damit muss man sich abfinden. Was vor einem Jahr passierte, passierte eben auch vor einem Jahr. Jetzt aber ist Zukunft. Und die ist nicht so schlimm, zumindest weniger schlimm als in Ihrer Vorstellung.

Alles okay also?

Natürlich nicht. Jetzt kommt Kehl, jetzt berät Sammer. Aber erwarten Sie doch keine Wunderdinge. Entwicklung braucht Zeit. Die muss sich der Verein geben. Er wird sich die Zeit geben. Stellt jetzt die Weichen. Sie wollen die ganze Zeit zum Watzke-Interview, kommen nicht zum Punkt. Was doch interessanter ist: Der BVB will auf Erfahrung setzen.

Mehr Rode und weniger Isak?

Wie Sie meinen. Könnte auch bedeuten: Mehr Khedira und weniger Sancho. Wir werden das sehen. Die Transferpolitik der letzten Jahre war problematisch. Hummels konnte nie ersetzt werden, Gündogan auch nicht. Schon unter Klopp nicht. In der Liga der großen Klubs ist der BVB eine kleine Nummer. Das hat man erkannt, jetzt lässt man sich ins Feld zurückfallen, und verändert seinen Ansatz.

Und wenn ein Spieler einschlägt, wechselt er sofort nach England.

Das ist das Problem unserer Zeit. Darauf muss man Antworten finden. Die müssen vielschichtig sein. Die müssen vor allen Dingen den Verein wieder in der Stadt verankern. Diese Antworten müssen dazu dienen, der Borussia eine Identität zu verschaffen.

Ist Echte Liebe tot, Herr Dembowski?

Schon lange. Niemand weiß mehr, wofür der BVB überhaupt steht. Sicher nicht für einen abgehalferten Claim aus alten Klopp-Tagen. Wenn man in der Welt über Dortmund spricht, dann spricht man in erster Linie über das Westfalenstadion. Und darum sollte es doch gehen. Spieler kommen und gehen, das Westfalenstadion bleibt bestehen. Das muss der Ausgangspunkt der Geschichte sein. Ein Verein ist nicht mehr als die gelebte Erinnerung seiner Fans, und die größten Momente hängen damit zusammen.

Das bringt kurzfristig aber keinen sportlichen Erfolg. Den braucht Borussia, sonst stehen sie schon bald hinter Schalke.

Noch einmal: Es geht um eine langfristige Entwicklung. Ein Tiefpunkt ist immer ein Ausgangspunkt.

Hamburg fällt immer noch. Das ist die langfristige Entwicklung, die dem BVB droht. Alle Trainer bis auf Klopp waren Flop.

Dafür haben Sie sicher lange gebraucht. Die Generation 2005 tritt langsam zur Seite, neue Protagonisten werden an ihre Aufgaben gewöhnt. Ich bin positiv gestimmt.

Sie wollen immer die besondere Meinung haben.

Ich bin ehrlich.

Was sagt eigentlich Justin Hagenberg-Scholz zu Sammer? Was sagt Schill zu Sammer?

Hagenberg-Scholz ist durchgedreht. Er hält sich neuerdings für Marlene Dietrich. Schill ist zu sehr mit dem HSV beschäftigt. Sammer aber würde Schill lieben. Der ist ehrlich, nicht populistisch. Der hat Sachverstand, lässt ihn aber nicht raushängen. Der ist klar, will aber nicht protzen. Hagenberg-Scholz ist das Gegenteil. Und liebenswürdig.

Wann wird der BVB aus der Rückschau in 2050 das letzte Mal Meister gewesen sein?

Was ist das für eine Frage. Kann man nicht beantworten. Sicherlich nach 2012. Das wollen Sie hören. Sie wollen hören, dass endlich noch ein Traditionsverein gestürzt ist, dass die ordentlich auf die Schnauze bekommen haben. Das wird nicht passieren.

Wann wird es mal wieder richtig Sammer?

Jetzt reicht es mir.

Werden Sie neuerdings vom BVB bezahlt, Herr Dembowski?

Kein Kommentar.

Muss dieser positive Spin unbedingt sein?

Das Ende, das Sie jetzt sehen, habe ich bereits im Dezember 2017 angekündigt. Ich hatte Zeit. Sie haben die nicht. Ich denke langfristig. Sie lassen sich hetzen.

Wird der BVB in die UCL einziehen?

Ja.

Herr Dembowski, herzlichen Dank für Ihre Zeit.

Sie hätten mir auch gerne mal gratulieren können. Sieben Jahre Dembowski Ermittelt! Was ich schon alles erlebt.

Glückwunsch.

Danke.