Guten Tag, Herr Dembowski
Da sind Sie wieder.
Haben Sie uns beim letzten Mal eigentlich auf den Arm genommen?
Ja. Das stimmt. War super ironisch. Mehrfach gebrochen. Bin immer tiefer rein. Inception eben. Da musste ich erstmal raus. Aber das ist mir gelungen.
Raus sind auch die Borussen. Aber nicht aus der Champions League, sondern aus den Übergangsjahren.
Das stimmt. Der BVB hat sich neu erfunden. Für lange Zeit hatten sich die Dortmunder von ihren Wurzeln entfremdet. Es begann unter Klopp. Es ging immer schneller hinab. Der Verein wuchs, mit ihm die Entkoppelung von dem, was dereinst Echte Liebe genannt wurde. Der Ballspielverein war selbstsüchtig, nahm die eigenen Fans nicht mehr mit, hatte seine Identität verloren. So mehr Trainer kamen und gingen, so tiefer ging es hinab. Der Kader war immer noch stark genug, die Champions League zu erreichen. Auf dem Platz aber war nicht mehr wichtig. Seltsame Jahre. Verstärkt durch den Anschlag. Verstärkt durch die Auswüchse der eigenen Transferphilosophie.
Sie sagen es: Der BVB brauchte die Einnahmen, um zu überleben.
Und der BVB inszenierte das Drama. Er kostete es aus. Sah sich in der Opferrolle, und fühlte sich darin wohl. Der Ballspielverein der letzten Jahre war schwach, Treibholz in einer aufgewühlten See. Er wollte sich trotzdem Gehör verschaffen. Wurde mal mitleidig belächelt, mal verhöhnt. Zurecht.
Was hat sich verändert?
Wir müssen dafür in den Sommer 2017 zurückgehen. Wir müssen bei den letzten Tagen Tuchels dabei sein, ein Ohr in Watzkes Büro haben. Der Anschlag, der Streit um Tuchel, die in Gruppen zerfallende Mannschaft. Das war. Und es war echt. Der BVB brauchte einen neuen Trainer, er sah die Dembele-Lawine auf sich zurollen, bemerkte die Unruhe. Der neue Trainer sollte die Wogen glätten, den Verein zurück aufs Spielfeld holen. Favre war damals bereits Topkandidat.
Daraus wurde nichts.
Zum Glück kam Peter Bosz.
Das müssen Sie erklären. Wieso war Peter Bosz ein Glücksfall für den BVB, Herr Dembowski?
Weil die Borussia noch lange nicht bereit für Favre war. Sie mussten erst fallen, um dann erneut aufzustehen.
Der BVB hat sich für die Champions League qualifiziert!
Weil die Liga so schwach war. Sie haben sich über die Ziellinie geschleppt. Es war traurig. Und doch so wichtig. Nicht nur die Champions League-Qualifikation, sondern vielmehr die Gewissheit, jetzt vor einem Wendepunkt zu stehen. Jetzt dem Trainer wieder mehr Verantwortung zu geben, aber mit Kehl und Sammer zwei Netze einzubauen. Auf der Führungsebene und auf sportlicher Ebene. Einfach mal auf Kehl schauen. Das ist Selbstvertrauen.
Mario Götze spielt weiter nicht.
Wir sind hier nicht bei Sky. Dafür spielen andere Spieler. Favre hat für jeden seiner Spieler, zu denen Götze, Rode, Isak, Toljan mit Sicherheit eher nicht zählen, einen genauen Plan. Die Öffentlichkeit schaut auf Sancho, Pulisic, Bruun Larsen, weil die Öffentlichkeit nur Helden und Versager kennt, und Dortmund jetzt eben mal in der Heldenrolle ist. Dass aber Thomas Delaney der Schlüsseltransfer ist, dass es Geduld und Stabilität braucht, um einen Gegner müde zu spielen, wird gerne vergessen. Ja. Es sind viele Tore gefallen. Bemerkenswert aber ist vielmehr die defensive Stabilität der gesamten Mannschaft.
Steht der Ballspielverein vor zwei, vielleicht sogar drei, goldenen Jahren?
Der BVB ist auf einem guten Weg. Mehr nicht. Aber das war er eben auch schon länger nicht mehr.
Gestern hätte Monaco fast ein Tor erzielt.
Haben Sie jedoch nicht. Dafür hatten sie Kamil Jacek Glik. Ein echter Sportsmann, der auf youtube fälschlicherweise Krieger genannt wird. Sein Duell mit Marco Reus atmete den echten, auf Werten basierenden Fußball. Für mich war der Pole der Spieler des Spiels.
Die Champions League ist spannend, die Bundesliga könnte bis in den März hinein nicht entschieden sein. Haben Sie sich mit dem modernen Fußball versöhnt?
Mit einem Fußball, der seine wichtigsten Akteure, die Fans, kriminalisiert? Nein. Mit einem Fußball, dessen sich für unersetzlich haltende Player längst trumpsche Methoden angeeignet haben? Nein! Aber alles kommt und geht in Wellen. Alles ist vorübergehend, so auch diese aktuelle Krise des Spiels.
Zweitligist Union Berlin hat nun ein Positionspapier vorgelegt.
Ich fand das befremdlich.
Wieso?
Der etwas andere Verein ruft zur Revolution auf und kommt dann mit diesen Sätzen um die Ecke.
Ich muss die zitieren: „Diese Entfernung steht am Beginn der Entfremdung, die auch rund um den Profifußball zu beobachten ist. Fußball ist ein bedeutender Teil der Gesellschaft in Deutschland und bildet deren Tendenzen und Entwicklungen in komprimierter Form ab. Die Stärkung der radikalen Ränder aufgrund einer gefühlten und erlebten Bedrohung ist längst unübersehbar – sowohl im Fußball als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Menschen, die nicht wertgeschätzt und nicht ernstgenommen werden, greifen zu extremen Aktions- und Kommunikationsformen. Schmähgesänge, diskreditierende Banner sowie permanente verbale Angriffe auf Verbände und einzelne Funktionäre zeugen von der Eskalation ungelöster Konflikte.“
Von einem Verein der sich bislang überhaupt noch nicht zu den neuen Nazis im eigenen Stadion geäußert hat. Dessen Fans offen mit „Herrenrasse“-Shirts durch die Gegend laufen. Die radikalen Ränder also. Interessant. Und die sind wie die Fans. Die Fans sind die AfD? Weil man ihre Sorgen nicht erstnimmt? Die besorgten Fans? Union als deren Anwalt?
Union Berlin ist mir suspekt. Der von denen geforderte Kurswechsel auch. 20 Teams für Liga 1 und 2? Damit die Zwischenzonen noch langweiliger werden? Damit alles verflacht?
Damit man mehr Geld verdient, sagen die Eisernen, Herr Dembowski.
Wenigstens ehrlich. Mehr Geld. Über den Spielbetrieb…
Denken Sie nicht immer nur an den BVB, Herr Dembowski. Für die Top-Klubs ist das eine verkraftbare Belastung, für die anderen Vereine sportlich und finanziell attraktiv.
Bei sportlich habe ich aufgehört zu lesen. Was ein Schwachsinn.
Union fordert die Einführung von Playoffs.
Die sind längst eingeführt. Den Rest dieser wirren Maßnahme habe ich nicht verstanden.
Der Klub will eine Gehaltsobergrenze.
Woran soll sich die orientieren? Müssten die Bayern dann ihre Personalkosten reduzieren? Won’t happen, DID, won’t happen. Jeder Ansatz, der die Topklubs international schwächen würde, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich möchte mich mit Union nicht länger auseinandersetzen. Das sind viele Worte. Sie klingen toll, sind wenig durchdacht.
Union setzt sich für die Fans ein.
Toll. Das ist alles schön. Und ich höre sie alle „Revolution“ schreien. Das ist auch gut. Ein konstruktiver Ansatz müsste jedoch von den aktuellen Verhältnissen ausgehen. Es wird kein Rückbau geben. Gerade nicht, da jetzt auch noch die EM 2024. Freu mich aber für Union. Sie sind auf der richtigen Seite. Gegen alle radikalen Ränder der Gesellschaft. KULT! Für mich ist dieser Straßenpopulismus nichts.
Wir wollten eigentlich noch über Bayern reden.
Bayern, Bayern, Bayern. Gibt es keine anderen Themen?
Nein. Hertha hat sie…
Hahoherrlich!
Interessiert aber nicht. Bayern ist in der Krise. Ist das die Wachablösung?
Hab so viel hanebüchene Geschichten gelesen. Das sollen andere kommentieren. Halte das für mehr als übertrieben. Bayern wird Meister.
Eine persönliche Frage: Wie geht es Ihnen eigentlich?
Super. Die dunkle Jahreszeit hat begonnen.
Curry36 ist jetzt im Hauptbahnhof. Konnopke tyrannisiert Touristen an der Schönhauser Allee. Nur Ihre Baude interessiert nicht.
Mich interessiert die schon. Da gehe ich jetzt hin. Wenn Curry, dann Baude!
Herzlichen Dank, Herr Dembowski
Dafür nicht.