Justin Hagenberg-Scholz installiert eine letzte Kamera, Dietfried Dembowski überprüft das Netz, Miriam Wu geht noch einmal die unterschiedlichen Dimensionen durch. Schill baut die Bühne auf. Vor der Tür lungern einige Vertreter der lokalen Presse.
Internationalisierungsikone Wu hat Hauke Schill von ihren Reisen durch China ein Geschenk mitgebracht. Der Kneipier war sofort Feuer und Flamme und so kann er an diesem Frühlingstag zur großen Eröffnungsparty laden. Weil Dembo ihn so liebte, hat Schill Jake Xeres Fussell eingeladen. Vorher Freispiele in der Jukebox. Ein herrlicher Tag.
Und noch bevor die Pferde mit Miriam Wu durchgehen können, hat Dembo klargestellt: „No jokes with names. Fussell mag zwar nur für den Hut spielen, aber deswegen ist er immer noch nicht billig! Er ist brillant. Er hat Ellington genommen und ihn entschlackt, ihn in unsere Dystopie verfrachtet. Dafür…“
Niemand hört Dembowski zu. Alle sind viel zu aufgeregt. Der Soldiner Score würde die Gastronomie revolutionieren. „Bei uns bezahlt man mit seinem guten Namen“, diktiert Schill den Reportern in die Blöcke und erklärt ihnen die technischen Details.
„Im Prinzip“, ergänzt Wu, „orientieren wir uns hier an den bereits in China erfolgreichen SocialScore-Modellen. Wir haben das für die Gastronomie ein wenig umprogrammiert. Da hat uns der liebe Justin Hagenberg-Scholz geholfen. Big Data and JHS, sag ich unseren Stakeholdern immer, is a match made in heaven!”
Stolzer werden wir den Dronenfan nie wieder sehen. Wie er dort steht, die Fernbedienung der Willkommensdrohne in der Hand, das Ohr in Richtung Wu gespitzt. „Ja!“, sagt er sich, „das ist mein Werk.“
War es nicht, sagte ihm nur keiner. Wu drängt sich nicht in den Vordergrund und am Ende würden alle davon profitieren.
„Unser System holt die Gäste bereits in der eigenen Wohnung ab. Die SoldinerApp gibt uns Auskunft über die Vorlieben der Kunden. Das ist perfekt. Befindet er sich auf dem Weg zu uns, werden wir informiert, die Drohne bestätigt seine Ankunft, wir können ihm dann direkt ein Schulle präsentieren und, wenn es passt, ein Willkommenslied auf der Jukebox abspielen,“ erläutert Schill.
„Anhand unterschiedlichster Kriterien bewegt sich dann sein SoldinerScore nach oben oder nach unten. Wer zu betrunken ist, wird abgewertet. Wer auf der Toilette neben den Eimer pinkelt, wird das auch spüren. Wer sich aggressiv verhält, der zahlt am Ende eine höhere Zeche! Ist sein SoldinerScore am Boden, verliert er die Zugangsberechtigung. Wir werden natürlich auch über alle Social-Media-Aktivitäten der User informiert. Diese bewerten wir zusätzlich. Wir erhoffen uns davon einen erzieherischen Effekt. Bist Du online ein guter Mensch, störst nicht durch laute, unpassende Zwischenrufe, wirst Du hier bei uns im Soldiner Eck dafür belohnt. Bist Du auf Krawall aus, wirst Du hier Probleme bekommen.“
Klingt für die Presse erst einmal verstörend. Eifrig weisen sie Schill auf mögliche Datenschutzprobleme hin. Einige protestieren, wollen die Kritik in die sozialen Netzwerke verlagern.
Wu sieht den Abend den Bach runtergehen. Sie interveniert. Mit Schulle und einem gewinnenden Lächeln. „Die Erfahrung hat gezeigt“, sagt sie und schiebt Schill an die Seite, „die Erfahrung hat gezeigt, dass wer nichts zu verbergen hat, bei uns einen schönen Abend verleben kann.“
Auch der DID ist am Start.
Kurz vor Fussells Aufritt, nimmt er Dembowski an die Seite. Der aber ist nicht bei der Sache. Eine dunkle Wolke schwebt über diesem Abend und keine Drohne kann sie vertreiben. Mit Malte Dürr hat es einen verdienten DID-Mitarbeiter erwischt. Bereits auf- und ausfällig geworden im Lehrerglaubensstreit, tritt er nun online gegen seinen Arbeitgeber. Die Ampel springt auf Rot. Die Social Bots verkünden das Dürr-Aus. Man sieht es am Gesicht des Ermittlers, der sich nichts anmerken lassen will.
Herr Dembowski! Wir müssen reden.
Prima Party, oder?
Danke für die Einladung. Darum geht es nicht. Vor wenigen Momenten verkündete der DID die offizielle Trennung von Malte Dürr. Was ist vorgefallen?
Dürr hat den Rubikon überschritten. Seine öffentlich geäußerte Kritik am DID hat seinen SoldinerScore in die roten Zahlen rauschen lassen. Er war ein interessanter, ein besonderer Mitarbeiter. Aber uns sind da die Hände gebunden. Wir machen die Regeln, um sie zu befolgen. Der SoldinerScore bietet da größtmögliche Transparenz. Das ist für jeden Stakeholder einsehbar. Wir sind die Zukunft!
Kann Dürr seinen Score wieder ausgleichen?
Das hoffe ich. Wir brauchen ihn. Ohne Dürr ist der DID wie ein Berliner Straße ohne Schlaglöcher.
Oder wie der FC Bayern ohne Meisterschale. Das aber wird nicht passieren.
Die Bundesliga hat sich in ihrer ohnehin größten Krise am vergangenen Wochenende von ihrer schlechtesten Seite gezeigt. Wir haben uns die Quoten schicken lassen. Noch vor der Pause wechselten rund 73 Prozent der TV-Zuschauer in den relevanten Wachstumsmärkten der Liga zu teils hanebüchenen Formaten um.
Was bedeutet der 5:0 Erfolg der Bayern für die Internationalisierungsbemühungen der DFL?
Niemand nimmt die Bundesliga ernst, dabei wollte die DFL ihre internationalen TV-Erlöse in der nächsten Verwertungsperiode signifikant erhöhen. Aber die TV-Anstalten haben längst ihre Warnschilder aufgestellt. Auf denen steht: Betteln und Hausieren verboten!
Mit einem furiosen Finale kann der BVB noch Meister werden!
Das würde nur noch mehr Kopfschütteln auslösen. Lassen Sie uns aus diesem Albtraum aufwachen. Am 06.04.2019 um 19:09 Uhr wurden die Internationalisierungsbemühungen der Bundesliga begraben.
Die Fans des Ballspielvereins würden sich trotzdem über eine Meisterschaft freuen.
Natürlich! Wieso auch nicht? Begreifen Sie doch: Den Fans der Borussia sind die Internationalisierungsbemühungen der Liga herzlich egal.
Die Vereine der Liga verteilen sich mit Abschluss der Saison wieder über den Globus.
Wolfsburg gegen Frankfurt in China. Mehr müssen Sie nicht wissen.
Sogar der FC St. Pauli mischt mit. Die Kult-Kicker besuchen ihren Fanklub in New York…
…und sie engagieren sich jetzt auch im eSport. Natürlich mit einem verantwortungsvollen Ansatz. Der steht im Fokus. Ausschließlich.
National zeichnet sich ein neuer Trend ab: Trainer beschimpfen Journalisten.
Die Nerven liegen blank. Auf allen Ebenen.
Hertha-Trainer Pal Dardai sprach sogar von einem Auftragsmord.
Man schreibe Hertha nur hoch, um den Verein abstürzen zu sehen. Woran Dardai sich nicht erinnern wollte, waren die Worte seiner Spieler nach den ersten, erfolgreichen Spielen der Saison. Lazaro, Kalou & Co träumten alle von Europa, sahen eine realistische Chance darauf und natürlich war die da. Das feiert die Lokalpresse dann natürlich und träumt sich in die großen Stadien Europas. Die sind doch ebenso abhängig vom sportlichen Erfolg der Vereine. Ein Brehmer, ein Stier, ein Linke, ein Hermanns, die fahren doch sonst nicht international. Die haben ihr Schicksal mit Hertha verknüpft, was sollen die Hertha um die Ecke bringen? Das übernehmen die Politiker.
Wie meinen Sie das?
Die Stadt Berlin hat Hertha nie als Chance begriffen. Hat nie die Möglichkeiten gesehen, die ein erfolgreicher Fußballverein in der Stadt bietet. Berlin, sagen sie, braucht den Fußball nicht. Und so muss man den Senat in letzter Konsequenz als Fußballverhinderer begreifen. In der Woche, in der die Träume vom eigenen Stadion der Hertha vorerst endeten, verhöhnte Berlin Hertha mit der Ankündigung das Stadion im Jahn abzureißen. Man habe dort sogar eine Arena mit einem Fassungsvermögen von bis zu 40,000 Zuschauern geplant. Nur eben nicht für Hertha. Fußball stiftet echte Identität, verknüpft unzählige Leben für immer mit einer Stadt. Diese Chance hat Berlin mit der Entscheidung gegen den Standort an der Eberswalder weggeworfen. Ich bin bedient. Ein Scheißtag, eine Scheißwoche und dann noch der SoldinerScore.
Herr Dembowski, Sie sind sehr aufgewühlt.
In diesem Moment erscheint Dembowskis Bild auf der großen Leinwand über der Bühne. Wir lesen Dietfried Dembowski minus 1.73. Es wird eng für den beliebten Ermittler. Jake Xeres Fussell betritt die Bühne.